taz.de -- Füchse für die Jagdhund-Ausbildung: Allein im Käfig, angebellt
Ein Tierschützer hat in Niedersachsen gefilmt, wie in Schliefanlagen Jagdhunde an Füchsen trainiert werden. Das verstoße gegen das Tierschutzgesetz.
Hildesheim taz | Vogelzwitschern, dann ein Schlag – Holz auf Holz. Rechts taucht ein Mann in Cargohose und Pulli auf. Er öffnet Klappen im Boden, stochert mit einem Stock hinein, sein ganzer Arm verschwindet im Boden. Er läuft, stochert, läuft. „Sehr schön.“ Es ist das erste Video einer sogenannten Schliefanlage in Deutschland, das den Betrieb dort von außen zeigt. Die Männer hat Thomas Mitschke vom Verein Wildtierschutz, Sektion Niedersachsen gefilmt.
Terrier und Dackel üben in solchen Anlagen, [1][wie sie Füchse anbellen, um sie aus ihren Erdbauten zu scheuchen]. Am Ende kriegen sie eine Urkunde: zertifizierter Bauhund. Sie lernen am echten Tier – meist jungen Füchsen, die extra dafür gezüchtet werden.
Damit es den Hunden und Füchsen möglichst wie in freier Wildbahn vorkommt, bauen die Betreiber*innen Tunnel in die Erde – mit Klappen darauf, um den Fuchs mit einem Stock weiter durch die etwa 15 Zentimeter breiten Gänge scheuchen zu können. Am Ende der Tunnel befindet sich ein etwa zwei Quadratmeter großer Käfig. „Barbarei und Quälerei“, nennt das Mitschke. Schliefanlagen seien ein „wichtiger Baustein zur Ausbildung von Jagdhunden“, sagt dagegen der Landesjägerverband Niedersachsen.
Am Zaun eingegraben
In Uetze in der Region Hannover liegt die Schliefanlage, die Thomas Mitschke heimlich gefilmt hat. Dazu hat er sich neben dem Zaun eingegraben, sich unter einem Busch versteckt und gewartet. „Als ich da gelegen habe, stand ich natürlich unter Adrenalin wie ein Boxer“, sagt Mitschke.
Das unerträgliche Gekläffe und das Verhalten der Betreiber*innen haben ihn mitgenommen, sagt er, und auch die Haltung der Füchse, als die Menschen wieder verschwunden waren. „Die sitzen in ihren Käfigen mitten im Wald und hören alle Geräusche, aber können nicht daran teilhaben.“
Thomas Mitschke hat die Betreiber*innen Mitte Juni angezeigt – wegen [2][Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz]. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat die Ermittlungen aufgenommen.
In Niedersachsen gibt es 14 Schliefanlagen, in ganz Deutschland etwa 120. Genaue Zahlen seien schwer herauszufinden, sagt Edmund Haferbeck von Peta. Die Schliefanlagen lägen oft versteckt, seien nicht auf Karten zu finden. Peta hat eine Klageaktion gegen die Betreiber*innen von Schliefanlagen gestartet. Seit September des vergangenen Jahres haben sie alle angezeigt, die sie finden konnten.
Dabei war Peta oft auf Hinweise von Menschen angewiesen, die zufällig im Wald auf die Tunnelsysteme und Käfige gestoßen sind. „Die Bevölkerung wusste teilweise nicht einmal, was Schliefanlagen sind und dass sie da sogar in der Nachbarschaft von einer leben“, sagt Haferbeck.
Auch Peta klagt im Namen des Tierschutzgesetzes, genauer Paragraf 18 Abs. 1 Nr. 4. Dort steht: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt.“
Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz bestätigt in einem Gutachten, dass es nicht mit dem Tierschutz vereinbar ist, wenn Füchse allein in Käfigen harren und ab und zu herausgeholt werden, um von Hunden angebellt zu werden – auch wenn Hunde und Füchse durch Gitter getrennt sind.
„Rechtsprechung zu diesem Thema existiert sämtlich aus den 1990er-Jahren wie aus den frühen 2000er-Jahren und berücksichtigt das Staatsziel Tierschutz folglich nicht“, steht in ihrem Gutachten. Das heißt: Es gibt Regeln für Schliefanlagen, aber die sind alt – so alt, dass sie entstanden sind, bevor Tierschutz im Grundgesetz landete.
Die letzten Entscheidungen für die Schliefanlagen trafen 1997 in Köln und 2022 in Gießen die Verwaltungsgerichte. Auch in Niedersachsen, dort wo Thomas Mitschke gefilmt hat, einigten sich zuletzt 1999 das Landwirtschaftsministerium, die Landesjägerschaft und die niedersächsischen Hundevereine auf Richtlinien für die Anlagen.
Darin stehen Haltungsbedingungen wie zum Beispiel ausreichend Platz, viel Essen, etwas Sonne, aber nicht zu viel. Die Bedingungen werden regelmäßig überprüft, schreibt Pressesprecherin Alexandra Schönfeld auf Anfrage der taz, und zwar von der Veterinärbehörde.
Ähnlich antwortet auch Florian Rölfing vom Landesjägerverband Niedersachsen: „Da die Aspekte des Tierschutzes in diesen Anlagen höchste Priorität genießen, besteht aus unserer Sicht keinerlei Grund, diese bewährte Ausbildungsmethode infrage zu stellen oder gar zu verbieten.“ [3][Dabei gibt es auch andere Möglichkeiten, die Hunde auszubilden]: mit Geruchsstoffen oder indem junge Hunde ältere auf der Jagd begleiten.
Eigentlich ist nichts auf dem Video zu sehen, nur ein paar Brennnesseln und Eichenlaub auf dem Boden. Aber der unsichtbare Hund kläfft und kläfft einen ebenso versteckten Fuchs in einem Metallkäfig an. Ein Mensch steckt seinen Stock durch den Draht und versucht den Fuchs dazu zu bringen, in die Transportbox zu gehen. Es dauert. Er will nicht, bleibt liegen. Dann huscht er nur ganz kurz vorbei, ein Blitz aus orangefarbigem Fell.
13 Jul 2022
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