taz.de -- Die Folgen vom 9-Euro-Ticket: Öffentlich-rechtliches Bahnchaos

Jetzt, wo es das 9-Euro-Ticket gibt, sollten alle bei ARD und ZDF es nutzen. Aber wissen die eigentlich, wie das geht? Ein geheimer Blick in die Bahnen.
Bild: Der öffentliche Nahverkehr ist für die Limousinen-Mitfahrer zu verwirrend

Lange Gesichter bei den Fahrbereitschaften von ARD und ZDF. Seit dem Beschluss der Rundfunkkommission der Länder, das [1][9-Euro-Ticket] verpflichtend für alle Anstaltshierarchen einzuführen, bleibt die Limousinenflotte in der Tiefgarage und der Tiger im Tank.

Die Führungskräfte sitzen dafür bis Ende August auf Tuchfühlung mit ihrem Publikum, ihren eigentlichen Auftraggeber*innen, in Bus und Bahn. Was einen entspannten Plausch mit den Beitragszahler*innen ermöglicht, hat nach taz-Informationen schon am ersten Tag für Chaos gesorgt. Beim WDR in Köln konnte eine wichtige Direktoriumssitzung nicht stattfinden, weil Intendant Tom Buhrow zuerst in die falsche U-Bahn gestiegen war und dann auch noch sein Klapprad in der Linie 7 nach Porz-Zündorf stehengelassen hatte.

Die ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger vom rbb war auf dem Weg zu den Medientagen Mitteldeutschland in Leipzig, kam da aber ziemlich verspätet an. Erst verpasste sie die S 8 nach Bitterfeld, weil sie nach dem wirklich frühen Aufstehen in Berlin (Abfahrt 5.31 Uhr!) beim Umsteigen in Jüterbog unbedingt noch ’nen Chai Latte to go haben wollte. Dann war sie in Bitterfeld versehentlich in die Bahn nach Halle gestiegen, wo es zwar auch eine Linie 1 gibt, aber nicht nach Plagwitz.

Das alles war aber noch nichts gegen die Odyssee von Norbert Himmler, Intendant beim ZDF. Der war ebenfalls unterwegs nach Leipzig, aber schon in Mainz im Bus zum Hauptbahnhof eingenickt und wurde erst gegen Mittag in der Waschstrasse der Verkehrsbetriebe gefunden. Weil ihm dort niemand den ZDF-Intendanten abnahm und er seinen Ausweis vergessen hatte, wurde Himmler erst Stunden später durch ZDF-Kommunikationschef Alex Stock eindeutig identifiziert und bekam freie (Regionalbahn-)Fahrt nach Mitteldeutschland (5x umsteigen!).

NDR-Intendant Joachim Knuth stand ewig am Bahnhof Kalübbe (Kreis Plön), bis ihm ein mitfühlender Passant verriet, dass hier der Schienenpersonenverkehr schon 1985 eingestellt worden war. Nun war der Bus längst weg und Knuth himmelte im Geiste seinen Vorgänger Lutz Marmor an, der im ICE immer beitragsschonend die zweite Klasse nahm.

Der MDR jedoch fährt bei Nachhaltigkeit auf anderen Wegen. Zwar fremdelt Intendantin Karola Wille bekanntermaßen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber Leipzig ist berühmt als fahrradfreundliche Stadt und der MDR für seine Nähe zur Lebenswirklichkeit seiner Nutzenden. „Ganz klar“, meint die Mitbewohnerin. „Da schwingt sich der velobegeisterte Betriebsdirektor gemeinsam mit Karola Wille aufs Diensttandem.“ Wenn das Pilotprojekt glückt, gibt es auch für die Fahrbereitschaft ganz neue fahrbare Untersätze.

2 Jun 2022

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Steffen Grimberg

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