taz.de -- Keine Corona-Zahlen mehr am Wochenende: Ein fatales Datenloch

Das RKI wird künftig nur noch montags bis freitags die Corona-Fallzahlen kundtun. Ein gefährlicher Schritt – der Tür und Tor für Spekulationen öffnet.
Bild: Hat sonntags nichts mehr zu melden: RKI-Präsident Lothar Wieler

Es ist zu schön, um wahr sein. Sonntags gibt es in Deutschland jetzt kein Corona mehr. Das meldete das Robert Koch-Institut (RKI) am Wochenende. Was wie ein später Erfolg [1][der Zero-Covid-Aktivist:innen] klingt, ist leider tatsächlich nicht wahr. Sondern nur ein Problem unseres Gesundheitssystems. Denn weil die lokalen Ämter gern mal ausschlafen und praktisch keine Fälle mehr melden, hat auch das RKI seine Berichterstattung eingestellt.

Aus Sicht des RKI ist das nur konsequent. Lieber keine Zahlen als falsche Zahlen ist das Motto von Deutschlands obersten Coronawächtern. Zu Recht. Denn falsche Zahlen führen in die Irre. Anfang Mai hatte die Meldung des RKI, [2][laut der es an einem Wochenende zu keinem weiteren Coronatoten gekommen sei,] die weit verbreitete Fehlinterpretation zur Folge, dass es jetzt aber auch mal gut sei mit Corona.

Tatsächlich gab es zu diesem Zeitpunkt im Durchschnitt noch rund 180 Opfer pro Tag. Sie wurden nur nicht gemeldet und erst später registriert. Gesamtgesellschaftlich ist das sonntägliche Datenloch fatal. Zum einen ist die Zahlenverweigerung des RKI nichts anderes als eine Kapitulation vor den Unzulänglichkeiten des deutschen Gesundheitssystems. Wenn man beim Arztbesuch seine Versicherungskarte vergessen hat, kann man seinen Nachweis zwar mittlerweile per App anfordern.

Die Krankenkasse informiert dann auch umgehend den Arzt – [3][per Fax! Kein Witz]. Das nennt sich dann Digitalisierung. Wie gut, dass man nicht mehr auf Brieftauben angewiessen ist. Zum anderen belegt das Wochenendloch aber auch, wie leichtfertig mittlerweile mit der Pandemie umgegangen wird. Offenbar nimmt sie niemand mehr ernst.

Zwar besteht aktuell kein Grund zur Panik. Aber nur wer verlässliche Zahlen hat, kann [4][die momentan angebrachte Laisser-faire-Politik] auch wirklich begründen. Wenn aber Zahlen fehlen, öffnet das Tür und Tor für Spekulation. Datenblindheit ist die Grundlage für verschwörerische Verharmlosung genauso wie für übertriebene Panikmache. Gesund ist nichts davon.

12 Jun 2022

LINKS

[1] /Interview-mit-Ifo-Chef-Clemens-Fuest/!5743217
[2] /Nachrichten-in-der-Coronapandemie/!5851741
[3] https://www.tk.de/techniker/leistungen-und-mitgliedschaft/informationen-versicherte/leistungen/versichertenkarte/versichertenkarte-verloren-vergessen-arzt-ersatzbescheinigung-2008524
[4] /Zwei-Jahre-Coronapandemie/!5850490

AUTOREN

Gereon Asmuth

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Gesundheitspolitik
GNS
Impfung
Karl Lauterbach
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Corona-Sommerwelle in Deutschland: Rückkehr der I-Frage

Nach Wochen der Entspannung steigen in Deutschland die Coronazahlen wieder an. Auch die Immunisierungslücke ist unverändert zu groß. Und nun?

Nachrichten zur Coronakrise: Union kritisiert Triage-Entwurf

CDU und CSU beklagen, nach dem Gesetzentwurf der Ampel für Triage-Situationen drohten Menschen mit Behinderung benachteiligt zu werden. Die Corona-Infektionszahlen steigen wieder.

Aktuelle Nachrichten zur Coronakrise: Morddrohungen gegen Wieler

RKI-Chef Lothar Wieler sieht sich massiv bedroht. In Italien blockieren Hafenarbeiter aus Protest gegen neue Coronaregeln Hafenzufahrten.

Virusvarianten in Deutschland: Wie die Mutanten ticken

Dass sich Viren wie Sars-CoV-2 verändern, liegt in der Sache ihrer genetischen Natur. Doch die Impfstoffe sind bisher auch gegen die Mutanten wirksam.

Wie viele Corona-Infizierte gibt es aktuell?: Die aktuellen Fallzahlen

Wo in Deutschland gibt es besonders viele Fälle von Covid-19? Und wie kommen die Impfungen voran? Eine Übersicht in Grafiken.