taz.de -- Russisches Geld in Österreich: Der diskrete Charme der Oligarchie

Russische Oligarchen butterten hohe Summen in Österreichs Klassikbetrieb: In Salzburg, Linz und Wien herrscht deshalb nun Erklärungsbedarf.
Bild: Teodor Currentzis dirigiert bei einer Probe an den Salzburger Festspielen, Juli 2019

Es hätte sogar noch schlimmer kommen können für die Salzburger Festspiele. Im Jahr 2019 präsentierte die damalige Präsidentin Helga Rabl-Stadler eine lukrative Sponsorenvereinbarung mit dem staatlichen österreichischen Ölkonzern OMV und dem russischen Multi Gazprom fürs seinerzeit bevorstehende Ereignis „100 Jahre Festspiele“.

Während Projekte und Festreden in der gerade abgelaufenen Saison die Gefahren des Klimawandels beschworen, freute sich Rabl-Stadler über das „willkommene Geschenk“ aus der fossilen Branche. Nur wegen des Beginns der Coronapandemie kam der Deal 2020 dann nicht zustande.

Rabl-Stadlers Nachfolgerin Kristina Hammer und Markus Hinterhäuser, damals wie heute Intendant der Salzburger Festspiele, dürften inzwischen froh darüber sein. Fragen zu russischen Geldflüssen gibt es trotzdem. Etwa nach der Tätigkeit der 2013 gegründeten „Gesellschaft der russischen Freunde der Salzburger Festspiele“, die, so der deutsche Musikjournalist und Moderator Axel Brüggemann, Produktionen am liebsten dann mitfinanzierte, wenn der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis beteiligt war.

Schweigen zum Angriffskrieg

Currentzis hat sich im Gesamtpaket mit seinem in Sankt Petersburg beheimateten Ensemble MusicAeterna als eine Art Premiummarke nicht zuletzt auch im Programm der Salzburger Festspiele etabliert. Die gemeinsame Opernproduktion im Sommer mit dem Regisseur Romeo Castellucci steht auf der Kippe, nicht nur, weil Currentzis zum Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine beharrlich schweigt, sondern auch, weil das Geschäftsmodell seines Klassikunternehmens mit Personen im Umfeld Putins und einer von der EU sanktionierten russischen Bank eng verknüpft ist.

Brüggemanns Recherchen in der Wiener Tageszeitung Der Standard zeigen Geldflüsse von putinnahen Unternehmen und Akteuren an repräsentative Kulturinstitutionen, die offenbar dazu dienen, Einfluss für russische Interessen zu nehmen und Künstler:innen und ihre Karrieren als strategische Assets zu platzieren. Der Leiter des Wiener Konzerthauses Matthias Naske zog sich nach den Veröffentlichungen aus Currentzis MusicAeterna-Stiftung zurück.

Der ehemalige Wiener Staatsopernintendant Ion Holender dagegen ortete eine „Hetzjagd gegen alles, was aus Russland kommt“. Dabei geht es keineswegs nur um Ruhm und Geltung der „großen russischen Kultur“. Die gesellschaftliche Reputation des Klassikbetriebs schafft ein Umfeld, in dem sich Geschäftsbeziehungen bequem anbahnen und ebenso leicht verschleiern lassen. Zentrale Figuren sind Künstlerstars, die mit ihrer Nähe zur Macht, ihren wirtschaftlichen Verflechtungen das Niveau von Oligarchen erreichen können, durch ihre Stellung im kulturellen Feld aber weit mehr für das Regime bewirken.

Enge Verbindung nach Linz

Am weitesten gediehen schien die Russland-Connection im Linzer Brucknerhaus. Der deutsche Musikmanager Hans-Joachim Frey leitete die renommierte Konzerteinrichtung seit 2013. Mit Putin vertraut ist Frey seit dem Dresdner Semperopernball 2009, samt russischem Pass ist er mittlerweile Intendant in Sotschi. Mit lokalen Verbandsfunktionären gründete er gemeinsam mit Politik und Unternehmensspitzen ein Industrie- und Wirtschaftsforum zugunsten des Konzertbetriebs, vor allem aber für das Russlandgeschäft der oberösterreichischen Industrie.

In Linz gern gesehen war auch der Cellist Sergei Roldugin, Patenonkel einer Putin-Tochter und durch eine ausgeklügelte Konstruktion von Briefkastenfirmen über 2 Milliarden Dollar eine überraschende Entdeckung in den „Panama Papers“. Vor Freys Abgang aus Linz unterschrieben die Stadtoberen noch den Vertrag über einen Bruckner-Zyklus mit Putins getreuem [1][Dirigenten Valery Gergiew], dessen hunderte Millionen schweres Immobilien- und Stiftungsvermögen von Alexander Nawalny offengelegt wurde.

Die Frage, warum gerade gut dotierte Kulturinstitutionen, ausdrücklich unterstützt oder zumindest geduldet von der Politik, für stupid money aus einem autokratischen Regime empfänglich sind, stellt sich nicht erst mit [2][der russischen Invasion]. War es die Idee einer besonderen Beziehung zu Russland, die im neutralen Österreich aus Zeiten des Kalten Kriegs immer noch präsent ist, oder ganz einfach nur der Betriebsunfall einer schleichenden Ökonomisierung des Kulturbetriebs? Wenn privates Geld öffentlich finanzierte Institutionen für seine Zwecke zu kapern droht, entsteht nicht nur ein Problem für Kultur und Moral, sondern eines für die Demokratie.

Nach Debatten um die Russlandverbindungen konfrontierte das US-schweizerische Regieduo Yana Ross und [3][Lukas Bärfuss] die Salzburger Festspiele tags darauf mit neuem Ungemach und legte Recherchen über ihren langjährigen Sponsor Solway offen. In den „Mining Secrets“ der Investigativplattform „Forbidden Stories“ werden dem Schweizer Bergbauunternehmen gravierende Umwelt- und Menschenrechtsverstöße in einer Nickelmine in Venezuela vorgeworfen. Die Ermittlungen dauern an.

Festspielpräsidentin Kristina Hammer kündigt nun einen Ethikkodex an. Ein Art TÜV für Sponsoren? Möglich, dass gerade auf Diskretion bedachte Geldgeber kaum geneigt sind, sich einem transparenten Bewerbungsverfahren zu stellen. Die Hausse der Oligarchen im Opern-, Konzert und Festivalbetrieb scheint fürs Erste vorbei zu sein, nicht nur in Österreich.

28 Apr 2022

LINKS

[1] /Muenchen-entlaesst-Orchesterleiter/!5835426
[2] /Karl-Markus-Gauss-ueber-Ukrainekrieg/!5846831
[3] /Autor-ueber-Terror-und-die-Schweiz/!5254433

AUTOREN

Uwe Mattheiß

TAGS

Geldwäsche
Österreich
Russland
Dirigent
Salzburger Festspiele
Salzburger Festspiele
EU-Sanktionen
Österreich
Schwerpunkt Pressefreiheit
taz.gazete
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Dieter Reiter
Klassik

ARTIKEL ZUM THEMA

Salzburger Festspiele: Ein faustischer Konflikt

Unheimlich war es in der Oper „Herzog Blaubarts Burg“ schon immer. Bei den Salzburger Festspielen sorgen russische Förderer für Beunruhigung.

Gesetz zur Sanktionsdurchsetzung: Weniger Schonung für Oligarchen

Russische Vermögende haben in Deutschland trotz Sanktionen wenig zu befürchten. Die Bundesregierung will das ändern. Ob das gelingt, ist offen.

Regierungsumbildung in Österreich: ÖVP wieder wie vor Kurz

Der neue österreichische Kanzler Karl Nehammer baut sein Kabinett um, Farbe und Name der ÖVP werden gleich miterneuert. Kritik hagelt es trotzdem.

Putins Krieg gegen die freie Presse: Es gibt noch kritische Stimmen

Putin führt auch einen Krieg gegen die eigene Presse. Journalist*innen haben schon vor Jahren die Realität im Land schonungslos analysiert.

Dokumentarfilm über Alexei Nawalny: Geschichte einer Vergiftung

Der FSB-Anschlag auf den russischen Oppositionellen Alexei Nawalny gibt dem Dokufilmer Daniel Roher Stoff für einen spannenden Recherche-Thriller.

Kultur und Sport in Kriegszeiten: Die große Vereinfachung

Zwischen Solidarität und einem Stellvertreter-Nationalismus drohen Kulturschaffende eine politische Unschuld zu verlieren – die sie nie hatten.

Intransparenter Immobilienmarkt: Berlins Oligarchen

Niemand weiß, was russischen Oligarchen in Berlin gehört. Sanktionen laufen wegen des intransparenten Markts ins Leere, zeigt eine Linken-Anfrage.

München entlässt Orchesterleiter: Der Dirigent, den ich rief

Chefdirigent der Münchner Philharmoniker und gleichzeitig Putinfreund? Geht nicht, findet Münchens OB und schickt Waleri Gergijew in die Tundra.

Musikfest-Chef über sinkende Gagen: „Es wird eine Umverteilung geben“

Thomas Albert rechnet damit, dass mit den Zuschauerzahlen auch die Gagen der Stars sinken werden. Daraus ergebe sich eine Chance für den Nachwuchs.