taz.de -- Die Wahrheit: Romantisches Schwermetallwochenende

Endlich wieder ein Konzert. Von der die Marmel durchpustenden harten Sorte. Mit Shoutern, Anhimmlern und Zulötern.

Nach den langen Monaten der Entbehrung ist es keineswegs wie nach Hause kommen. Es ist viel besser. „Endlich wieder auf die Fresse“, seufzt ein Yeti in Metal-Ausgehuniform. Es ist mein Freund Till, der bereits angefangen hat sich flaschenweise auf die anstehenden Aufgaben vorzubereiten: Thrash Metal in der Braunschweiger Kufa-Halle.

Eine Band fällt mit trockenem Husten aus, dafür springen die Lokalknatterdoren Headshot ein, und schon ist die Lokalität gefüllt. Die schweren Mädchen und Jungs vom Hotel 666 e.V. wollen mit aller Kraft, dass diese Veranstaltung ein Erfolg wird. Also konsumieren sie Wolters Pilsner, als gäbe es das schon morgen nicht mehr.

So ganz falsch liegen sie nicht. Die alten Braunschweiger Hopfenpanscher wollen jetzt nämlich das Web aufmischen, haben ein freshes neues Logo ersonnen und sich dafür an den beiden Löwen auf dem Etikett vergriffen. Die hiesige Beer Nation ist erzürnt, droht mit Boykott und „Sturm auf die Fabrik!“.

Mir ist das herzlich egal. „Ich dachte immer, es gehe um den Geist in der Flasche“, wage ich einzuwenden. Es folgt diese unangenehm lange Pause vor einem Wutausbruch, aber ich habe Glück, Headshot wollen jetzt endlich lospulvern.

„Darüber reden wir noch“, droht mir Fränky, bevor er Aufstellung nimmt. Er hat richtig vorgelötet und fügt sich deshalb wie selbstverständlich in die Rolle des Einschreiers: „Dani, ich will ein Kind von dir!“ Die dergestalt angehimmelte Shouterin hat einen leutseligen Abend erwischt und muss nicht lange überlegen. „Sollst du haben!“ Metal-Romantik pur. Aber meine Begleiterin ist anderer Meinung. „Pragmatische Familienplanung hier bei euch.“ Sie ist noch neu in der Szene.

Und plötzlich kehrt wieder diese innere Ruhe ein. Eine gute Stunde muss man keinen einzigen Gedanken mehr an irgendetwas verschwenden. Headshot heißen nicht grundlos so, sie ballern einem jede vernünftige Idee mit 144 BPM aus der Marmel, bis da nur noch reine buddhistische Leere ist, für die ein Zen-Mönch lange üben muss.

Dani hat irgendwann mal in ihrer frühen Jugend den Räuber Hotzenplotz gefrühstückt. Seitdem will der raus, grölend und geifernd. Aber das wird nicht passieren. Sie hält ihn unter Verschluss, sie zwingt ihn mitunter sogar, eine mitpfeifenswerte Melodie zu blaffen. Wenn das mal nicht große Kunst ist, könnte man denken. Wenn man denn denken könnte.

Nach der Show trifft man sich draußen, und die laue Frühlingsluft nebst Monstermischen lässt die metallische Gefühlswelt entschieden ins Libidinöse schwappen. Fränky ist ja nun vergeben. Aber Till hat viel Liebe zu geben. Eine bezaubernd lächelnde Schwarze Priesterin entschwebt der Kufa-Halle. „Nein, wen haben wir denn daaaa“, ruft er zärtlich und öffnet beide Arme zur Begrüßung. Geschmeichelt kommt sie näher. „Trink mal mehr, dann biste besser!“, vertröstet sie ihn. Und wer Till kennt, weiß, dass er einer schönen Frau noch nie einen Wunsch abschlagen konnte.

4 May 2022

AUTOREN

Frank Schäfer

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