taz.de -- Pressefreiheit und ihre Voraussetzungen: Das Recht auf eine eigene Meinung

Freie und unabhängige Medien brauchen Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit, aber auch Spielregeln. Ein Recht auf „eigene Fakten“ zählt nicht dazu.
Bild: Ein Zeitungsstapel

Presse- und Meinungsfreiheit sind die Basis jeder demokratischen Gesellschaft. Ohne gesellschaftlichen Pluralismus ist Pressefreiheit nicht denkbar, Debatten und der Streit um Meinungen und Haltungen gehören unbedingt dazu.

Denn die eine Wahrheit gibt es nicht. Wohl aber Spielregeln, ohne die Presse- und Meinungsfreiheit nicht möglich sind. Dazu gehört der Grundsatz, dass jedeR ein Recht auf eine eigene Meinung hat – aber nicht auf eigene Fakten. Wer das leugnet, hebelt die Pressefreiheit aus.

Zur ihr gehört auch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Journalist*innen müssen ihre Rechte im Konfliktfall juristisch durchsetzen können – etwa das Recht auf Auskunft.

Genauso gehört dazu, dass sich Dritte gegen von ihnen als unzulässig empfundene Berichterstattung juristisch wehren können. Für faire Entscheidungen braucht es hier eine unabhängige Justiz und eine Verankerung der Presse- und Meinungsfreiheit in den von der Verfassung garantierten Grundrechten. Sonst drohen politische oder wirtschaftliche Einflussnahme und staatliche Willkür.

Medien als Teil öffentlicher Kontrolle und Meinungsbildung

Die Organisation Reporter ohne Grenzen bringt es auf den Punkt: „Wo Medien nicht über Unrecht, Machtmissbrauch oder Korruption berichten können, findet auch keine öffentliche Kontrolle statt, keine freie Meinungsbildung und kein friedlicher Ausgleich von Interessen.“

Ein Garant für Pressefreiheit ist auch ein publizistischer Wettbewerb. Idealerweise bietet er die Grundlage für gesellschaftliche Debatten und demokratische Entscheidungsfindung. Deshalb höhlt der Rückgang publizistischer Vielfalt, wie wir ihn aktuell vor allem im Lokalen und Regionalen erleben, langfristig die Pressefreiheit aus. Denn so versanden gesellschaftliche Debatten oder drohen sich in Räume zu verlagern, wo Prinzipien von Meinungsfreiheit, Fairness und Faktentreue nicht gelten.

Nehmen mediale Auswahl und publizistische Vielfalt ab, wird die „innere Pressefreiheit“ immer wichtiger. Sie garantiert die redaktionelle Unabhängigkeit vor Eingriffen privater Medieneigentümer, aber auch vor Vorgaben von Stiftungen und Mäzenen. Sie muss durch Redaktionsstatute und Mitspracherechte der Mitarbeitenden abgesichert werden. Da steht Deutschland noch am Anfang.

Der Autor ist freier Medienjournalist und Vorsitzender des Journalistenverbands Berlin-Brandenburg (DJV BB)

4 May 2022

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Steffen Grimberg

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