taz.de -- Mageres AfD-Ergebnis im Saarland: Angeheizter Ost-West-Konflikt

Die AfD wird mit drei Abgeordneten im Saar-Landtag sitzen. Einige in der Bundespartei lasten das Ergebnis dem Sachsen Tino Chrupalla an.
Bild: Christian Wirth, AfD-Landesvorsitzender im Saarland, bei einer Pressekonferenz zum Wahl-Ergebnis

Saarbrücken/Berlin taz | Die Sprachregelung in der extrem rechten AfD nach [1][der Saarlandwahl] ist bei vielen: „Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.“ Im Januar lag die Partei in Umfragen noch um die 8 Prozent, am Ende sind es nur 5,7 Prozent geworden – [2][knapp über der Fünfprozenthürde], aber immerhin im Landtag.

Einige in der Bundespartei lasten das magere Ergebnis entsprechend dem Bundeschef Tino Chrupalla aus Sachsen an, der immer Wunschkandidat der dort omnipräsenten völkischen Strömung war. Mit trüben Aussichten auf anstehende Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und vor allem Nordrhein-Westfalen heißt es etwa beim Fraktionskollegen Jürgen Braun aus dem Bundestag: „Wir brauchen jetzt endlich eine Spitze, die nicht nur in Teilen des Ostens beim Wähler ankommt!“ Auch Joana Cotar, die als Konkurrentin Chrupallas für den Parteivorsitz gilt, sagte: „Wir können mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Zeit für eine ehrliche Analyse und eine Politik, die auch im Westen ankommt.“

Chrupalla selbst verpasste am Montagvormittag seine eigene Pressekonferenz, weil sein vorgelegter Genesenennachweis in der Bundespressekonferenz nicht akzeptiert wurde. In seinen Äußerungen per Mitteilung und im TV-Interview am Wahlabend äußerte er sich gleichwohl optimistischer.

Chrupalla gibt sich zufrieden

Er sei zufrieden mit dem Wiedereinzug, auch wenn es ein, zwei Prozent mehr hätten sein können, so Chrupalla. In einer Mitteilung nach der verpassten Pressekonferenz ging er auch auf den Ost-West-Konflikt in der Partei ein: Es gehe „nicht mehr um Ost oder West“ – man brauche ein „freiheitlich-soziales Profil“, mit dem man in ganz Deutschland antreten könne.

Noch ist völlig unklar, ob die AfD im neuen saarländischen Landtag mit ihren drei Abgeordneten überhaupt in Erscheinung treten kann. Voraussetzung dafür wäre, dass das heillos zerstrittene AfD-Landtagstrio eine gemeinsame Fraktion zustande bringt. Nur wenn die drei Abgeordneten sich zu einer Fraktion zusammenraufen, werden sie im neuen Landtag echte Mitwirkungsrechte haben, in den Landtagsdebatten, in den Ausschüssen und bei der Verteilung der Haushaltsmittel für Personal und Sachmittel.

Hinzu kommt, dass sich alle drei Abgeordneten mit Parteiordnungsverfahren herumschlagen. Einer der neuen Abgeordneten, Christoph Schaufert, 52, ist bereits per „Umlaufbeschluss“ des Bundesvorstands vorläufig aus der Partei ausgeschlossen, seine Mitgliedsrechte ruhen. Er gehörte zu denen, die eigenmächtig die Landesliste der Partei zurückgezogen und damit den gewählten Spitzenkandidaten Kai Melling, 52, verhindert hatten.

Auch AfD-Nachwuchsmann Carsten Becker, 32, muss mit einem Parteiordnungsverfahren rechnen, weil er den Coup gegen Melling öffentlich gefeiert hatte. Der Senior des AfD-Trios im neuen Landtag, Josef Dörr, kämpft seit Jahren um seine Parteimitgliedschaft. In erster Instanz ist er aus der Partei geflogen. Nun ist das Bundesschiedsgericht am Zug. Theoretisch möglich scheint deshalb sogar eine AfD-Fraktion, deren drei Mitglieder der Partei gar nicht mehr angehören.

Christian Wirth, der AfD-Bundestagsabgeordnete aus dem Saarland, zeigte sich bei der Pressekonferenz ohne Chrupalla enttäuscht von den Stimmenverlusten, die er auf internen Streit zurückführte. Zur Landespressekonferenz in Saarbrücken kamen überraschend der bisherige Landtagsfraktionschef Josef Dörr und sein scheidender Fraktionsgeschäftsführer Rolf Müller. Auch auf Nachfrage wollte Dörr sich zu den Querelen nicht wirklich äußern. Er sagte lediglich: „Wir sind jetzt gehalten, eine Fraktion zu bilden. Da ist jetzt etwas aufzuarbeiten.“

28 Mar 2022

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Christoph Schmidt-Lunau
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