taz.de -- Beschwerdestelle der Polizei in Hamburg: Nur fünf Ermittlungen

Mehr als tausend Beschwerden sind bei der Hamburger Polizei seit März 2021 eingegangen. Nur den wenigsten Beamt:innen drohen Konsequenzen.
Bild: Hat die Polizei bei Black Lives Matter 2020 fair agiert? Die Beschwerdestelle gab es da noch nicht

Hamburg taz | Groß waren die Hoffnungen in eine Instanz, die [1][Hamburger Polizist:innen prüfen] und rügen sollte. Nach einem Jahr Arbeit ist nun die erste Bilanz der Beschwerdestelle erschienen. Seit ihrer Einrichtung im März 2021 hat die Beschwerdestelle insgesamt 1.249 Beschwerden gegen Beamt:innen erhalten. Davon wurden knapp zwei Drittel als unberechtigt eingestuft, wie aus einer kleinen Anfrage der Linksfraktion an den Senat hervorgeht. Rund 18 Prozent hat die Beschwerdestelle als berechtigt oder teils berechtigt eingestuft. Bei den übrigen Fällen liegt eine Beurteilung noch nicht vor.

Fünfmal leitete die Stelle Beschwerden an das Dezernat Interne Ermittlungen weiter (DIE), weil die Beamt:innen das Verhalten der Kolleg:innen als strafrechtlich relevant einstuften. Das DIE übernimmt dann die Ermittlungen gegen Polizeibeamt:innen und leitet Strafverfahren ein. Von den fünf Verfahren sind bereits drei eingestellt – ohne, dass es zur Anklage kam. In zwei weiteren Fällen dauern die Ermittlungen an.

Strafrechtliche Konsequenzen blieben für verhaltensauffällige Beamt:innen also bislang aus. Disziplinarverfahren wurden dreimal eingeleitet, zwei davon laufen bislang noch. In einem der Verfahren wegen unerlaubter Datenabfrage wurde der Antwort des Senats zufolge schon ein Dienstvergehen festgestellt. Welche Konsequenzen das für die oder den Betreffende:n hat, konnte die Polizei bis Redaktionsschluss nicht beantworten.

In 151 Fällen wurde ein Sensibilisierungs- oder Kritikgespräch geführt. Beamt:innen der Beschwerdestelle führten diese mit ihren Kolleg:innen. Drei Beamt:innen mussten zum Dienstunterricht, zwei zu einer Fortbildung und eine:r wurde versetzt.

Nur 15 Beschwerden aus den eigenen Reihen

Dem innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Hamburger Senat, Deniz Celik, genügt das nicht: „Die Beschwerdestelle dient in erster Linie der Imageverbesserung der Polizei. Für kleinere Konflikte mag sie möglicherweise ein guter Ansprechpartner sein. An der [2][nicht vorhandenen Fehlerkultur] innerhalb der Polizei und der Straflosigkeit von Polizeigewalt wird sie nichts ändern.“

Obwohl sich die Beschwerdestelle auch als Ohr innerhalb der Polizei versteht, kam bisher ein Großteil der Beschwerden von externen Hinweisgebern, also aus der Öffentlichkeit. Lediglich 15 Beschwerden erreichten die Beamten auf der Mönckebergstraße aus den eigenen Reihen. Dort, online und am Telefon können Bürger:innen sich über Ordnungshüter:innen beschweren. In einem Fall kam eine Beschwerde wegen Volksverhetzung aus der Polizei selbst, das Verfahren läuft noch.

Genau auf diese Fälle wollen Mitarbeiter:innen der Beschwerdestelle vorbereitet sein: sie sind extra für den Umgang mit Menschen geschult, die Diskriminierung erfahren haben. In dem Büro arbeiten zudem nicht nur Polizist:innen, sondern auch ausgebildete Sozialarbeiter:innen.

Zum allergrößten Teil beschwerten sich Bürger:innen jedoch über das Verhalten der Beamt:innen während eines Einsatzes – 578 der Beschwerden gab es deshalb. 282 Mal wurde sich über Beamt:innen im Zusammenhang mit Verkehrskontrollen beschwert. Nur 28 Mal haben sich Bürger:innen über [3][Diskriminierung] beschwert und dreimal über extremistisches Verhalten.

Verbesserungsbedarf sieht der Senat bei der Erreichbarkeit

Für Linkenpolitiker Celik ist klar: „Gerade rechtswidrige Polizeigewalt sowie diskriminierendes Handeln stellt ein häufiges Polizeiproblem dar, bei der Beschwerdestelle kommen diese Fälle aber kaum an. Opfer von polizeilichem Fehlverhalten haben offensichtlich – und aus guten Gründen – kein Vertrauen in die Kollegen der Täter.“

Verbesserungsbedarf sieht der Hamburger Senat eher bei der Erreichbarkeit der Beschwerdestelle. In der Antwort des Senats auf die Anfrage der Linksfraktion heißt es, „Gruppen, die keinen unmittelbaren Zugang – zum Beispiel aufgrund sprachlicher oder kultureller Barrieren – zur Beschwerdestelle haben“ solle der Zugang künftig erleichtert werden.

Derzeit arbeitet die Beschwerdestelle noch an einem eigenen Bericht, erscheinen wird er im zweiten Quartal 2022. Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft, die die Beschwerdestelle einst forderte, möchte die Arbeit der Beschwerdestelle auf taz-Anfrage noch nicht inhaltlich bewerten, sondern den internen Bericht abwarten. „Dies ermöglicht dann eine differenzierte Einschätzung und wird zeigen, wo wir gegebenenfalls nachsteuern müssen“, so Imhof.

6 Apr 2022

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AUTOREN

Leopold Pelizaeus

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