taz.de -- Wetter in Deutschland: Viel zu trockener März

Sonnenschein gab es viel: Mehr als 235 Stunden wurden gemessen. Die Pflanzenwelt ächzt aber unter einer Dürre – damit auch die Landwirtschaft.
Bild: Ein Traktor und seine Staubwolke: Ackerbau im abgelaufenen März in Zörbig (Sachsen-Anhalt)

Berlin taz | Der gerade abgelaufene Monat hat Deutschland ein neues Extremwetter beschert. „In diesem März gab es mehr Sonne als sonst normalerweise in einem durchschnittlichen Juli“, erklärt Andreas Friedrich, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes. Die Sonnenscheindauer lag [1][den Messungen zufolge] bei über 235 Stunden, mehr als das Doppelte des Durchschnitts der Periode 1961 bis 1990 mit 111 Sonnenstunden. Der Märzmonat 2022 war damit der mit Abstand sonnenscheinreichste seit Messbeginn 1951.

Viel Sonne bedeutet natürlich wenig Wolken und damit wenig Wasser: In Brandenburg und Berlin fielen im ganzen März nicht einmal 3 Liter Regen pro Quadratmeter, wo doch sonst hier zwölfmal mehr im März „normal“ sind. An der Mecklenburgischen Seenplatte, in der Uckermark und in Vorpommern registrierte der Deutsche Wetterdienst sogar weniger als 1 Liter Niederschlag pro Quadratmeter.

Auch andere Regionen leiden schon früh im Jahr [2][unter einer extremen Dürre] – Süddeutschland und der Harz im Oberboden (bis 25 Zentimeter Tiefe), die Altmark, Teile der Pfalz, Niedersachsens und Badens im Unterboden (bis zu 1,8 Metern).

Die ersten, die das Sonnenextrem spüren, sind die Bauern. „Darunter leiden Wintergetreide, Raps und auch die Frühjahrskulturen, die ausgesät worden sind, wie zum Beispiel Sommergerste oder Zuckerrüben“, erklärt der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied. Auch die Kartoffeln kämen so „nicht richtig in die Gänge“.

Genau das, was Klimamodelle prognostiziert haben

Die Lebensmittelversorgung sieht der Bauernpräsident in Deutschland aber bis zum Frühjahr 2023 gesichert, „auch wenn der Ukrainekrieg Auswirkungen auf die globalen Märkte hat“. Allerdings könne es bei einzelnen Kulturen bei ausbleibendem Regen zu geringeren Ernten kommen.

2018, 2019, 2020 – der dreijährige Trockenstress der Böden habe in vielen Regionen zu einem deutlichen Rückgang beim Grünlandertrag geführt, sagt Tobias Fuchs, beim Wetterdienst für das Fachgebiet „Klima und Umwelt“ zuständig: „Die Zunahme der Frühjahrestrockenheit ausgerechnet in einem Zeitraum, in dem die Vegetation ‚erwacht‘ und einen hohen Bedarf an Wasser hat, führt zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Pflanzenentwicklung.“

Ja, es ist der Klimawandel! „Unsere Daten zeigen, dass die Trockentage im Frühling in den letzten Jahren bereits deutlich zugenommen haben“, sagt DWD-Sprecher Friedrich. Damit bestätigt sich, was die Wissenschaft vor 20 Jahren prognostizierte.

Allerdings sind die Folgen wohl gravierender als bislang angenommen: Eine internationale [3][Studie] ermittelte, dass die negativen Auswirkungen von Trockenheit auf das Funktionieren von Ökosystemen doppelt so groß sind wie bislang angenommen.

4 Apr 2022

LINKS

[1] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2022/20220330_deutschlandwetter_maerz2022_news.html;jsessionid=D7A6C7B0209C333CA4801E5112781074.live31093?nn=16210
[2] /taz-Podcast-klima-update/!5845725
[3] https://www.nature.com/articles/s41559-022-01685-3

AUTOREN

Nick Reimer

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Dürre
Extremwetter
klimataz
IG
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Trockenheit
Schwerpunkt Klimawandel
Energiewende
Podcast „klima update°“
Waldsterben
Apokalypse der Woche

ARTIKEL ZUM THEMA

Berlin erlebt „außergewöhnliche Dürre“: Aus der Traum von Eden

Laut „Dürre-Monitor“ ist der Boden in Berlin schon jetzt völlig ausgetrocknet. Mit der Garten-Bewässerung dürfte es in Zukunft schwieriger werden.

Apokalypse der Woche: Südafrikas tödliche Fluten

Früher hieß es, von einem einzelnen Wetterereignis könne man gar nicht auf den Klimawandel schließen. Mittlerweile gibt es Methoden, genau das zu tun.

Der Frühling in Berlin und Brandenburg: Es ist schon wieder viel zu trocken

Der März war der vierttrockenste März seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und jetzt hat es schon wieder seit drei Wochen nicht geregnet. Was nun?

Neuer Bericht des Weltklimarats: Drohender Klima-Kolonialismus

Zum Anbau von CO2-speichernden Pflanzen bedarf es riesiger Anbauflächen. Die Last könnte den globalen Süden treffen.

Eckpunkte für Windkraftausbau: Vögel schützen, Rotoren bauen

Das Windkraftkonzept der Ministerien für Umwelt und Wirtschaft sieht Tabuzonen für Nester und klare Regeln vor. Umweltverbände üben Kritik.

taz-Podcast „klima update°“: Die Klima-News der Woche

RWE darf den letzten Landwirt in Lützerath abbaggern. Umweltministerin Lemke will „natürlichen Klimaschutz“. Wir stecken in einer Dürre.

Zustand der deutschen Wälder: Gutes Jahr nach vielen schlechten

Wegen genügend Regen haben sich die deutschen Wälder vielerorts leicht erholt. Doch die Dürrejahre zuvor haben Spuren hinterlassen.

Erneut trockenes Jahr: Deutsche Dürre im Doppel

2020 könnte das dritte Dürrejahr in Folge werden. Ein solches Wetterereignis gab es zuletzt 1766. Der Blick in die Zukunft stimmt wenig optimistisch.