taz.de -- Klimaaktivist:innen gegen Krieg: Fridays for Future für die Ukraine
Die Klima-Aktivist:innen stecken in den Vorbereitungen für den Streik am 25. März. Nun demonstrieren sie am Donnerstag gegen den Krieg.
Hamburg taz | Für die ukrainischen Fridays for Future sei es in den vergangenen Jahren nicht einfach gewesen, sich für Klimagerechtigkeit zu engagieren, während Putin seit 2014 das Land attackiere. Jetzt rufen sie ihre Mitstreiter*innen weltweit zur Unterstützung auf: „Wir bitten alle Brüder und Schwestern von Fridays For Future, mit uns für das Ende dieses Kriegs auf die Straße zu gehen und in unserem Namen für Frieden zu kämpfen“, schreiben die ukrainischen Aktivist*innen bei Twitter.
In mehreren Ländern folgen ihnen Schüler*innen, Auszubildende, Studierende und Beschäftigte und rufen für diesen Donnerstag zum Protest auf. Darunter Griechenland, Georgien, Kenia, Venezuela, Malaisien und Indonesien. [1][Hierzulande] haben bislang Fridays-Ortsgruppen aus Braunschweig, Lübeck, München, Hamburg, Berlin und Köln Proteste angemeldet, weitere sollen folgen. „Die Zeit rennt, die Lage ändert sich stündlich“, begründete Luisa Neubauer den Termin an einem Donnerstag statt wie gewohnt Freitags. In einem Instagram-Video erklärte sie, man habe sich nach dem Hilferuf der urkainischen Mitstreiter*innen noch in der Nacht zusammengesetzt und überlegt, was es für die jungen Menschen bedeute, so unvorstellbares Leid zu erfahren, und was bedingungslose Solidarität erfordern würde. Dann hätten die Aktivist*innen angefangen, einen internationalen Friedensstreik zu organisieren.
Dabei war der nächste internationale FFF-Streik eigentlich für den 25. März angesetzt. Er sollte unter dem Motto „People not profit“ stehen. Nun ist die Aufmerksamkeit für das Klima von einem Tag auf den anderen auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Coronakrise gesunken. So rangierte der [2][am Montag veröffentlichte alarmierende Teilbericht des Weltklimarats IPCC] in den meisten Medien unter ferner liefen. Das bekommen auch die Aktivist*innen zu spüren. „Wir haben vollstes Verständnis, dass der Krieg gerade die Nachrichten und die Sorgen der Menschen dominiert“, sagte Pauline Brünger von Fridays for Future.
Neu sei diese Erfahrung nicht: „Wir haben in den letzten zwei Jahren gelernt, dass wir in einer Welt leben, in der die Krisen nicht nacheinander folgen, sondern gleichzeitig passieren“, sagte Brünger. Das wichtigste sei jetzt, solidarisch an der Seite der Ukrainer*innen zu stehen und an der Seite derer, die in Russland Widerstand leisteten – und dabei die Klimakrise nicht aus den Augen zu verlieren. Schließlich hingen die Lösungen der Konflikte zusammen: „Der [3][Ausstieg aus fossilen und der Ausbau erneuerbarer Energien] muss die klare Antwort auf beide Krisen sein“, sagte Brünger. Die Notwendigkeit, sich von Autokraten und ihren Energielieferungen unabhängig zu machen und stattdessen ein solidarisches System aufzubauen, sei schmerzhaft deutlich geworden.
Protest nach 100 Tagen Ampelregierung
An den Planungen für den 25. März will Fridays for Future erstmal festhalten. Ob der Streiktag wie ursprünglich gedacht stattfinde oder eine inhaltlich ganz andere Ausrichtung bekommen müsse, werde sich im Laufe der nächsten Tage herausstellen, sagte Brünger.
In Deutschland soll der Protest rund hundert Tage nach dem Start der Ampelkoalition unter dem Motto „Reicht halt nicht“ stehen. Die Bemühungen der neuen Bundesregierung gingen zwar ein bisschen weiter als die der Großen Koalition, aber reichten bei weitem nicht aus, um die schlimmsten Folgen der Erderhitzung zu verhindern. Zudem stünden sie in keinem Verhältnis zu den im Wahlkampf gemachten Versprechen einer ernstzunehmenden Klimaschutz-Agenda, kritisieren die Klimaaktivist*innen.
2 Mar 2022
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