taz.de -- Podcastkritik „schon gehört?“: Verstehen statt angreifen

Geht es um Alltagsrassismus, wird die Diskussion schnell hitzig. Der Podcast „Schwarzweiss“ arbeitet die Nuancen des Problems heraus.
Bild: Marion Kuchenny und Florence Brokowski-Shekete

Viele Diskussionen rund um das Thema Rassismus sind geprägt von Wut und gegenseitigem Unverständnis. Hört man den Podcast „Schwarzweiss“, in dem eine weiße und eine Schwarze Frau über Alltagsrassismus diskutieren, könnte man erst denken, auch hier bauen sich zwei Gegenpole auf. Doch wer ein Streitgespräch erwartet, liegt falsch. Verstehen statt angreifen, heißt es hier. In versöhnlicher Manier werden die Nuancen des Alltagsrassismus herausgearbeitet.

In 20-minütigen Folgen klären [1][die Pädagogin Florence Brokowski-Shekete] und die Journalistin Marion Kuchenny nachdenklich und reflektiert über Nischenthemen in der Debatte auf. Die kompakten Folgen haben eine gute Länge, um gerade Einsteiger:innen ins Thema einzuführen. In der ersten Folge geht es um Begriffe wie „Schwarzfahren“ oder „Schwarzmalerei“. Und die Frage: Ist es rassistisch, diese Begriffe zu verwenden?

Die gesellschaftlichen Feinheiten rund um diese Wörter werden unaufgeregt durchdacht. Dabei gleiten die Moderatorinnen reibungslos von sprachlichen Ursprüngen zu gegenwärtigen Diskussionen über. Sie dekonstruieren dabei die gesellschaftliche Vorstellung von Hautfarben und erklären auch den Unterschied zwischen dem Begriff der Farbe schwarz und „Schwarz“ als Eigenbezeichnung.

Wie viel Kompromiss ist möglich?

Am Ende kommen sie zu dem Schluss, dass [2][Sprache zwar ein wichtiger Aspekt ist], aber auch nicht alles: „Man streicht ja nicht einfach ein Wort und dann ist eine Haltung dahinter gestrichen. Das ist ein Prozess“, sagt Brokowski-Shekete. Sie unterstreicht zugleich, dass sie als Schwarze Frau niemals für alle Schwarzen Menschen sprechen kann.

Aus all diesen Zwischentönen ergibt sich ein feinfühliger Podcast. Der Grundtenor ist stets verständnisvoll. Das passt zum Ziel der Moderator:innen, keine Schuldzuweisungen zu formulieren. So manche:r Zuhörer:in mag sich aber fragen, ob der Ton nicht zu versöhnlich ist.

Etwa als es um die Frage geht, ob nicht auch Betroffene geduldig sein müssen, wenn die Gegenseite sich ihre Sprache und Einstellungen umgewöhnt. Es ist gut, dass das von einer Betroffenen besprochen wird. Das führt zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Kompromissen und der Frage, wie weit diese gehen sollten.

1 Mar 2022

LINKS

[1] /!5772064/
[2] /Antirassistische-Sprache/!5702930

AUTOREN

Anna Meyer-Oldenburg

TAGS

Schwerpunkt Rassismus
Podcast-Guide
Sprache
Kommunikation
Podcast-Guide
Antirassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Coronavirus
Intersektionalität
Podcast-Guide

ARTIKEL ZUM THEMA

Neuer Podcast „Legion“ über Anonymous: Hacker*innen im Krieg

Das Hacker-Kollektiv Anonymous ist international bekannt. Ein Rechercheteam beleuchtet nun in einem Podcast seine Geschichte.

Neues Archiv für Antirassismus: „Wir müssen von uns erzählen“

An antirassistischen Bewegungen waren hierzulande auch nicht-weiße Gruppen beteiligt. Das ist kaum bekannt. Ein neues Archivprojekt möchte das ändern.

Anklage wegen rassistischer Diskriminierung: Ex-Angestellte geht gegen Google vor

April Curleys Anwalt hat auch schon die Familie von George Floyd vertreten. Ihrer Klage könnten sich weitere Schwarze Google-Beschäftigte anschließen.

Diskriminierung im Bildungssystem: Die Schulzeit lässt ihn nicht los

Weil Deutsch seine Zweitsprache ist, wurde unser Autor diskriminiert. Wie sich das auf ihn auswirkte – und was seine Schule heute sagt.

Coronastatistiken und Rassismus: Hegemoniale Daten

Erhebungen zur Gesundheit, die systemische Diskriminierung aufzeigen könnten, gibt es in Deutschland kaum. Dabei wäre das wichtig.

Antirassistische Sprache: Schwarz ist keine Farbe

Sprache prägt das Bewusstsein: „Schwarz“ und „weiß“ sind antirassistische Bezeichnungen, die über Macht sprechen, nicht über Hautfarben.

Podcastkritik „schon gehört?“: Die Hochkultur der Unterschicht

Sibylle Berg erzählt im Podcast „Was ist Rap für dich?“, warum sie HipHop-Fan geworden ist, obwohl sie Musik eigentlich gar nicht mag.