taz.de -- Union zur Impfpflicht für Pflegeberufe: Verantwortungslose Profilierung

Die Union wollte konstruktive Oppositionsarbeit machen. Doch Söders Ausscheren bei der Impfpflicht zeigt: Im Zweifel geht es ihr nur um Machtpolitik.
Bild: Zieht, wieder mal, den öffentlichkeitswirksamen Auftritt vor: CSU-Chef Markus Söder

Eine scharfe, aber verantwortungsvolle und konstruktive Oppositionsarbeit haben CDU und CSU versprochen. Doch ausgerechnet bei dem schwierigen Thema Impfpflicht wird klar: Sollte die Union ihren Vorsatz wirklich ernst gemeint haben – lange gehalten hat er nicht.

Die Ansage des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die einrichtungsbezogene Impfpflicht – ein Bundesgesetz, das die Union mit beschlossen hat und das am 15. März in Kraft tritt – in Bayern zunächst auf Eis zu legen, ist vor allen eines: verantwortungslos. Und dass Friedrich Merz, der neue CDU-Chef und künftige Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Söder dabei auch noch unterstützt, indem er die Debatte weiter anheizt, lässt nicht viel Gutes erwarten.

Es stimmt zwar, dass weiter Fragen zur praktischen Umsetzung offen sind. Richtig ist ebenfalls, dass mit der Entwicklung der Pandemie auch bereits beschlossene Maßnahmen immer wieder überprüft werden müssen. Doch darum geht es Söder nicht, zumindest steht das für ihn nicht im Vordergrund. Denn in diesem Fall wären seine Überlegungen und Bedenken auf der Ministerpräsidentenkonferenz, die in der kommenden Woche tagt, gut aufgehoben gewesen. Doch Söder zieht wie so oft den öffentlichkeitswirksamen Auftritt vor und stößt die Teilnehmer:innen der Bund-Länder-Runde vor den Kopf.

Söder machen die Umfragen nervös

Dem Bayern ist wieder einmal die eigene Profilierung wichtiger. Anlass dazu gibt es für den CSU-Chef durchaus. In Umfragen sieht es für seine Partei in Bayern derzeit nicht gut aus, was Söder mit Blick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr nervös machen dürfte. Auch steht mit [1][Friedrich Merz nun ein Alphatier] an der Spitze der CDU, gegen das sich der Chef der kleineren Schwesterpartei wird behaupten müssen.

Hinzu kommt: Söder hat einen ausgesprochen guten Machtinstinkt. Nimmt er Schwächen und offene Flanken beim politischen Gegner wahr, nutzt er sie. [2][Die Ampel bietet bei der Impfpflicht mannigfaltige Angriffsflächen.] Die wichtigste davon ist die FDP, die bei dem Thema ein [3][echter Wackelkandidat] ist.

Scheitert die einrichtungsbezogene Impfpflicht, dürfte es für eine allgemeinere Verpflichtung noch schwerer werden. Die Regierung, die ohnehin gerade vor sich hin stolpert, stünde blamiert da. Da nutzt auch ihre ständige Wiederholung nicht, dass es sich dabei um Initiativen aus dem Parlament und nicht aus der Regierung handele.

Machtpolitisch mögen Söders Vorstoß und Merz’ Begleitfeuer also Sinn machen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem komplizierten Thema Impfpflicht und der Pandemie generell sind sie nicht.

8 Feb 2022

LINKS

[1] /Friedrich-Merz-und-die-CDU/!5818112
[2] /Parlaments-Debatte-uebers-Impfen/!5828810
[3] /Diskussion-um-RKI-Chef-Wieler/!5830654

AUTOREN

Sabine am Orde

TAGS

IG
Friedrich Merz
Schwerpunkt Coronavirus
GNS
CDU/CSU
Impfung
Markus Söder
Friedrich Merz
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Coronavirus
Pflegekräftemangel
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Robert Koch-Institut
IG

ARTIKEL ZUM THEMA

CDU und CSU im Bundestag: Merz ist wieder Fraktionschef

Vor 20 Jahren vertrieb ihn Merkel, jetzt führt Friedrich Merz wieder die Unionsfraktion. Knapp 90 Prozent der Abgeordneten stimmten für ihn.

Parteien und Pandemie-Bekämpfung: Adieu, Impfpflicht

Eigentlich sollte die verpflichtende Impfung zeitnah kommen. Doch daraus wird nichts – vor allem, weil Ampel-Parteien wie Union nur an sich denken.

Debatte um Impfpflicht für Pflegeberufe: Krach und Kurzrevolten

Die Diskussion über die einrichtungsbezogene Impfpflicht dauert an. Die Union muss ihre Rollen noch finden – wie jüngst im Südwesten zu besichtigen.

Impfpflicht für Pflegepersonal: Besser ungeimpft als gar nicht da

Der Protest gegen die Impfpflicht ist ein Problem mit Ansage. Wenn der Piks gegen Ansteckung kaum hilft, sinkt die Akzeptanz für die Pflichtimpfung.

Söders Absage an die Pflege-Impfpflicht: Winkelzüge statt Konfrontation

Bayerns Landesregierung unter Markus Söder muss Bundesgesetze umsetzen, auch die Impfpflicht für die Pflege. Aber sie könnte tricksen.

Nachrichten zur Coronakrise: Schweden hebt Maßnahmen auf

Die Regierung in Stockholm verkündet das Ende fast aller Coronamaßnahmen. Die Leipziger Buchmesse wird auch 2022 wegen der Pandemie nicht stattfinden.

Nachrichten zur Coronakrise: Sozialrichter gegen Söder

Laut Präsident des Bundessozialgerichts wäre es unzulässig, würde Markus Söder die Pflege-Impfpflicht wirklich auszusetzen. Auch Karl Lauterbach kritisiert Söder.

Nachrichten in der Coronakrise: Lauterbach kritisiert Söders Vorstoß

Der bayerische Ministerpräsident hat angekündigt, die berufsbezogene Impfpflicht in Bayern vorerst nicht umzusetzen. Lauterbach ermahnte die Landesregierung.

Corona und Impfpflicht: Impfung oder Lockdown

Bei der Impfpflicht geht es nicht um Gewissensfragen, sondern um die Lösung für ein Problem. Nur durch Impfungen sind die Krankenhäuser zu entlasten.