taz.de -- Kritik an Innenministerin Nancy Faeser: Gefährliche Geiferer

Das Gegeifer über einen Gastbeitrag von Innenministerin Faeser für ein antifaschistisches Magazin lässt die Brandmauer gegen rechts gefährlich wanken.
Bild: Von interessierter Seite als linksextremistisch gebrandmarkt: Innenministerin Faeser

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, ist unverdächtig, Linksextremen zu applaudieren. Dem antifaschistischen [1][VVN-BdA] aber bescheinigte er vor zwei Jahren, sich über Jahrzehnte für die Anerkennung und Entschädigung von NS-Opfern eingesetzt zu haben und bis heute „aktiv im Kampf gegen Rechtsextremismus“ zu sein. Die damalige Aberkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit – inzwischen widerrufen – nannte er „ein falsches Signal“.

Den rechtsradikalen Stichwortgebern einer Kampagne gegen die neue Bundesinnenministerin [2][Nancy Faeser] ist das schnuppe. Sie skandalisierten [3][einen Gastbeitrag der Sozialdemokratin im VVN-BdA-Verbandsmagazin Antifa]. Dabei ging es gar nicht darum, was Faeser letztes Jahr geschrieben hat, sondern wo. Im Magazin eines Verbandes nämlich, der vom bayerischen Verfassungsschutz als „linksextremistisch beeinflusst“ gebrandmarkt wird.

AfD & Co mögen hier eine Mission sehen. Gefährlich wird es, wenn Politiker:innen der Union Hand in Hand mit der Springer-Presse über das Stöckchen springen. Denn mit ihrem Gegeifer gegen die [4][Antifa] und deren vermeintliche Gesinnungsgenossin Faeser bringen sie die Brandmauer gegen rechts ins Wanken.

Ausgerechnet in der Jungen Freiheit warf ein CSU-Politiker der Bundesinnenministerin Fahrlässigkeit im Umgang mit linksextremen Medien vor. Die Bild-Zeitung sah Faeser „in Erklärungsnöten!“, weil sie in einem „Kampfblatt der DKP-Vorfeldorganisation“ publiziert habe, das „bis zum Untergang der DDR aus Ost-Berlin finanziert wurde“.

Völlig absurd wird es, wenn Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt in einem Kommentar gegen Faeser über „super Holocaust-Überlebende und deren PR-Abteilungen“ schwadroniert. Das nun war #mausgerutscht, Poschardt macht eine „junge Kollegin“ für einen „ärgerlichen Fehler bei der Digitalisierung“ verantwortlich. Seine wütenden Worte gegen couragierte und verdiente Antifaschist:innen aber bleiben. Für die bitter notwendige Bekämpfung des Rechtsextremismus lässt der Meinungskampf um Faeser nichts Gutes erwarten.

6 Feb 2022

LINKS

[1] /VVN-BdA-wieder-voll-gemeinnuetzig/!5768978
[2] /Extremismus-im-Internet/!5821838
[3] https://antifa.vvn-bda.de/2021/07/03/nsu-2-0-aufgeklaert/
[4] /Bank-beanstandet-Verwendungszweck/!5827608

AUTOREN

Matthias Meisner

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