taz.de -- Überraschungserfolg auf der Skipiste: Ein Brite? Na klar!

Ein Mann aus England gewinnt ein Skirennen. Die Aufregung darüber ist schier grenzenlos. Nur: warum eigentlich?
Bild: Selten so gestaunt: Dave Ryding nach dem zweiten Slalom-Durchgang in Kitzbühel

Das hatte die Welt noch nicht gesehen: Ein Brite gewinnt ein bedeutendes Rennen im alpinen Skisport. Die Aufregung nach dem Sieg von Dave Ryding beim Weltcup-Slalom am Kitzbüheler Ganslernhang kannte kaum Grenzen. Ein Brite! Was am Samstag geschah, versetzte den alpinen Skizirkus in maximale Aufregung.

Dabei war Ryding vor ein paar Jahren am selben Hang schon einmal Zweiter gewesen. Aber ein Brite ganz oben auf dem Stockerl? Unfassbar! Wie kann das sein? Wer dem Kommentator des österreichischen Fernsehens zugehört hat, der musste schier glauben, dass da gerade eines der größten Wunder der Sportgeschichte stattgefunden hat.

Es ging nicht darum, dass Ryding den schweren Hang in zwei Läufen am besten bewältigt hat, sondern allein darum, wo er herkommt: aus der Grafschaft Lancashire im Nordosten Englands. Ja kann es denn so etwas wirklich geben? Aus England! Wo die Leute Dinge essen, die nicht schmecken, wo das Bier so lauwarm serviert wird wie andernorts Kräutertee, wo dichte Nebel durch die Städte ziehen und wo es niemals schneit.

Und einer, der daher kommt, hat all die Österreicher, die [1][mit Skiern an den Füßen auf die Welt] kommen, beim Skifahren geschlagen? Die Schweizer, die mit Schnee statt Muttermilch aufgezogen werden, hinter sich gelassen? Den Bayern, [2][denen der Skipass wichtiger ist als der Personalausweis], keine Chance gelassen? So viele dämliche Nationalklischees sind selten aufgefahren worden wie an diesem Wintersportsamstag.

Britische Pioniere

Dass es reise- und abenteuerfreudige Briten waren, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich der alpine Skisport zum Ende des 19. Jahrhunderts in den Alpen entwickeln konnte, das hätte man neben all der merkwürdigen Aufregung um einen Briten auf Brettern ruhig auch einmal erwähnen können.

Mit den Briten ist der winterliche Alpintourismus einst erst so richtig in Fahrt gekommen. Es waren Engländer, die den Alpenländlern Skier an die Füße geschnallt haben. Und ohne Briten wären die Bergler wohl so schnell nicht auf die Idee gekommen, ihre malerischen Orte, die im Sommer so viele Gäste angezogen haben, ganzjährig zu vermarkten. Engländer waren für den Skisport fast so wichtig wie der Schnee.

Gewiss, davon fällt auf den Inseln nicht allzu viel. Doch das ist mittlerweile in vielen Wintersportorten in den Alpen auch nicht anders. [3][Würde man den Klimawandel nicht mit Schneekanonen bekämpfen], könnte man dort im Winter beinahe ebenso selten Ski fahren wie in Bretherton, jenem Ort in Lancashire, aus dem Dave Ryding stammt.

24 Jan 2022

LINKS

[1] /Hahnenkamm-Rennen-2022/!5825856
[2] /Ueberraschungen-im-alpinen-Ski-Weltcup/!5820778
[3] /Die-Wahrheit/!5728705

AUTOREN

Andreas Rüttenauer

TAGS

Kolumne Press-Schlag
Ski Alpin
Wintersport
Slalom
Wintersport
Ski Alpin
Die Wahrheit

ARTIKEL ZUM THEMA

Slalomspezialist Linus Straßer: Rechtzeitig in Fahrt

Der deutsche Skifahrer Linus Straßer gewinnt den Weltcup-Slalom von Schladming. Er zählt nun unweigerlich zu den olympischen Medaillenfavoriten.

Hahnenkamm-Rennen 2022: „Der Skisport ist Freiheit“

Franz Klammer, Abfahrtsolympiasieger von 1976, erklärt, warum auf der Streif so viele Fahrer stürzen. Und wie die Goldmedaille sein Leben veränderte.

Überraschungen im alpinen Ski-Weltcup: Speed ohne Spleen

Dass Simon Jocher ein guter Skifahrer ist, wusste man. Mit Platz acht in Gröden zeigt er, dass er nun reif ist für Erfolge in der Abfahrt.

Die Wahrheit: Lösegeld aus Schneekanonen

Ski unheil! Alpine Skigebiete sollen in diesem Winter wegen Corona geschlossen werden. Ein Besuch bei einem Betroffenen.