taz.de -- Klage gegen Verordnung in Niedersachsen: Wolf in Gefahr
Das Land setzt auf Abschüsse statt Herdenschutz, bemängeln Umweltverbände. Umweltminister Lies hält Schutzzäune auf Deichen nicht für zumutbar.
Göttingen taz | [1][Nach den Grünen] gehen auch Umweltverbände gerichtlich gegen die Wolfspolitik des rot-schwarz regierten Landes Niedersachsen vor. Unterstützt vom WWF und dem Freundeskreis freilebender Wölfe, hat der Naturschutzbund (Nabu) jetzt Klage gegen die niedersächsische Wolfsverordnung eingereicht. Die vor etwa einem Jahr in Kraft gesetzte Verordnung sei rechtswidrig, sagt der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann: „Wir rechnen damit, dass das Oberverwaltungsgericht Lüneburg unsere Normenkontrollklage zulässt.“
Der Nabu bemängelt unter anderem, dass die Landesregierung den Schwerpunkt auf den Abschuss von Wölfen lege, statt verstärkt in den Herdenschutz zu investieren. Wo in Wolfsgebieten konsequent Herdenschutzmaßnahmen umgesetzt würden, gehe die Zahl der Nutztierrisse nachweislich zurück. [2][Ein Abschuss von Wölfen] sei nicht hilfreich und könne nur im Ausnahmefall bei tatsächlich auffälligen Wölfen das Mittel der Wahl sein.
Ein weiterer Kritikpunkt: Wölfe, die sich von Menschen genutzten Gebäuden näherten, also etwa auch unbewohnten Scheunen in der freien Landschaft, sollten der Verordnung zufolge bereits als auffällig gelten und verfolgt werden können. Das sei völlig absurd, weil Wölfe sich frei in der Landschaft bewegten, dabei zwar Menschen grundsätzlich mieden, aber nicht Gebäude.
In der Wolfsverordnung finden sich dem Nabu zufolge „weitere Besonderheiten“. So wolle Niedersachsen selbst künftig den Erhaltungszustand der Wolfspopulation bestimmen, also eine Obergrenze. Dies sei allerdings fachlich gar nicht möglich, da sich die Population nicht nur über Niedersachsen, sondern auch über angrenzende Bundesländer erstrecke.
Umweltminister Lies verteidigt Verordnung
Buschmann erinnert daran, dass sich Niedersachsen genauso wie der Bund und die EU dazu verpflichtet hätten, die biologische Vielfalt inklusive des Wolfes zu erhalten. Wölfe sind entsprechend der FFH-Richtlinie der EU über das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Für die Umsetzung sind die Länder zuständig.
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) verteidigt die in seinem Haus erarbeitete Verordnung. Das Land stehe zum Schutz des Wolfes ohne Wenn und Aber. Aber auch die Weidetierhaltung sei ein nicht wegzudenkender wichtiger Teil der Kulturlandschaft – „und das soll auch so bleiben“. Die Verordnung enthalte Regelungen, wie mit problematischen Wölfen umgegangen werde.
„Ein Wolf, der ungeschützte Tiere reißt, wird alleine deswegen nicht entnommen“, sagt Lies. „Weitere Faktoren müssen hinzukommen, bevor das letzte Mittel greift.“ Kern der Verordnung sei die Regelung der zumutbaren Herdenschutzmaßnahmen. Denn bisherige pauschale Empfehlungen von 120 Zentimeter hohen Schutzelektrozäunen gegen Wölfe seien nicht in allen Fällen – zum Beispiel am Deich oder in der Heide – geeignet und zumutbar. Dem trage die Verordnung Rechnung, „indem die Zumutbarkeit den Gegebenheiten in Niedersachsen angepasst wurde“.
Landvolk fordert wolfsfreie Zonen
Schon mehrmals hat die Landesregierung auf Basis der Wolfsverordnung Abschussgenehmigungen erteilt, auch wurden schon Wölfe mit offizieller Erlaubnis erschossen, wenn auch nicht die gesuchten. Öffentlichkeit und Landtag wurden erst im Nachhinein über bestehende Genehmigungen informiert. Gegen diese Geheimhaltung wendet sich eine Klage der oppositionellen Grünen, die derzeit beim Niedersächsischen Staatsgerichtshof, dem Verfassungsgericht des Bundeslandes, anhängig ist.
Dem niedersächsischen Landvolk, das sich als Vertretung eines Teils der Schafhalter sieht, geht die Wolfsverordnung nicht weit genug. Der Verband befürwortet wolfsfreie Zonen, etwa an Deichen sowie eine „Obergrenze“ für die Tiere. In Niedersachsen leben zurzeit 38 Wolfsrudel in freier Wildbahn.
26 Dec 2021
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