taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Support your local Bruno

Um den Berliner Underground braucht man sich nicht zu sorgen. Das zeigt „Plattebausubstanz“, ein Sampler des Kollektivs „Bruno ist dagegen“.
Bild: Rotzig, blumig, klopapierig: die Riot Spears

Hier geht es jetzt um Bruno. Nicht um den Braunbär (R.I.P.), nicht um Bruno Mars, sondern um einen subkulturellen Bruno. Denn unter dem Namen [1][„Bruno ist dagegen“] haben sich vor zwei Jahren rund 20 Musiker:innen und Künstler:innen zusammengeschlossen, das Kollektiv versteht sich als Plattform, Label und Veranstaltergruppe für die jüngere Punk- und Postpunk-Szene zugleich. Mit Bruno verfolgen sie einen klassischen D.I.Y.-Ansatz, wollen Bands die Möglichkeit geben, etwas zu veröffentlichen und Kreativität jenseits von Verwertungslogiken denken.

Jetzt ist mit „Plattebausubstanz“ der bereits dritte „Bruno ist dagegen“-Sampler erschienen, und wer wissen will, wie gut Punk, Independent Rock und Riot Grrrl auch 2021 noch klingen können, der höre diese Kompilation. Da findet sich etwa der rotzige Punkentwurf der [2][Riot Spears]. Die drei Berlinerinnen bewegen sich irgendwo zwischen den Koordinaten Grunge und Noiserock, auch der hier vertretene Song „Emotional Fries“ klingt schön dreckig und geht nach vorne.

Mit [3][Cava] ist ein weiteres Berliner Garagepunk-Girl-Duo vertreten, deren Musik in eine ähnliche Richtung geht, nur einen Tacken poppiger klingt („Spider“). Eine weitere Entdeckung: Die schmutzig-schrammeligen Angels, die an einem Sound von Bands wie L7 oder Babes in Toyland geschult sind („Longing“). Experimenteller, schräger, aber genauso feministisch geht es bei [4][Vorsicht Kinder] zu, die einen hörenswerten Song zum Thema Körperfett beitragen („Verschluck Dich Nicht“). Auch zu empfehlen: eine Runde [5][Stuhltanz] mit der gleichnamigen Band.

Ein paar Namen sind dabei, von denen man schon mal gehört haben könnte, Nunofyrbeeswax etwa erweisen sich hier ein weiteres Mal alles formidable Krachrocker:innen („Days and Days“), und von dem großartigen Chemnitzer Duo [6][Baumarkt] dürfte man bald ohnehin mehr hören; wie viel Potenzial deren Synthpunk-Dada-Pop hat, durfte man kürzlich bei einem Auftritt am Haus der Statistik bestaunen.

Was bleibt nach 13 Songs? Bruno ist erstaunlich weiblich, Bruno wird den Berliner Underground locker in die nächste Generation retten, und Brunos Sampler ist für nur 7 Euro auf Bandcamp käuflich.

16 Oct 2021

LINKS

[1] https://brunoistdagegen.bandcamp.com/
[2] /Neue-Musik-aus-Berlin/!5757876
[3] https://cava.bandcamp.com/album/cava
[4] https://vorsichtkinder.bandcamp.com/
[5] https://stuhltanz.bandcamp.com/releases
[6] https://baumarkt.bandcamp.com/

AUTOREN

Jens Uthoff

TAGS

taz Plan
Kolumne Berlinmusik
Punk
Riot Grrrl
Noise
taz Plan
taz Plan
taz Plan

ARTIKEL ZUM THEMA

Noiserock-Erneuerer Dog Dimension: An der Krachmacherfront

Dog Dimension nennt sich eine Band, die sehr gekonnt den Noiserock der Neunziger ins Heute holt. Ihre EP „Rabies“ stellen sie nun auch live vor.

Neue Musik aus Berlin: Grooven mit Erich Fromm

Das „Glücklichsein als Maske“: Der nigerianische Musiker Wayne Snow verbindet auf „Figurine“ gekonnt Soul, Jazz, Afropop und elektronische Musik.

berlinmusik: Es rettet uns kein höh'res Wesen

Christoph de Babalon steht seit jeher für originäre elektronische Musik, einst tourte er mit Radiohead. Nun erscheint „044 (Hilf Dir Selbst!)“.

Neue Musik aus Berlin: Frauen mit Bock auf Rock

24/7 Diva Heaven feiern mit ihrem erstes Album, „Stress“ die angepisste, nihilistische Attitüde der Grunge-Ära. Riot Spears klingen noch dreckiger.