taz.de -- Coronalage und ihr kommendes Ende: Es ist zu früh

Jens Spahn sagt, die „epidemische Lage“ könne bald beendet werden. Doch noch immer sind über 30 Prozent der Menschen nicht geimpft.
Bild: Schon vegressen? Coronapatienten im Universitätsklinikum Greifswald im November 2020

Fakten zu schaffen, selbst wenn die Zeit dafür noch nicht reif ist, ist eine Spezialität von Politiker:innen, insbesondere von Politiker:innen in der [1][Pandemie]. Ein Beispiel waren die Schulschließungen, von denen im Sommer gesagt wurde, dass es sie künftig nicht mehr geben werde – ohne zu wissen, ob das so möglich ist. Das weiß man nicht, aber inzwischen geht es längst um mehr.

Es geht ums Ganze, die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, das rechtliche Fundament aller durch die Bundesregierung festgelegten Coronamaßnahmen. [2][Jens Spahn] sagt, die Lage könne bald beendet werden, denn das Risiko für Geimpfte sei nunmehr moderat.

Zumindest mit Letzterem hat Spahn sogar Recht. Wer genesen oder geimpft ist, darf sich vor einer schweren Covid-19-Erkrankung und ihren Komplikationen fast sicher fühlen – selbst im Fall einer Infektion mit dem Virus, die trotz Impfung möglich ist. Rund 70 Prozent der Deutschen brauchen deshalb keine „epidemische Lage“ mehr. Sie können mit dem Virus leben.

Die übrigen 30 Prozent, das sind etwa 26 Millionen Menschen, können das jedoch nicht. Für sie bleibt das Virus eine Gefahr, eher noch ist es ansteckender und mithin gefährlicher geworden. 26 Millionen Menschen können sich nicht nur infizieren und das Virus ungebremst verbreiten, sie können auch die Intensivstationen füllen. Schon jetzt liegt die [3][Inzidenz wieder 30 Punkte] über dem Wert des Vorjahres, als die schwere Winterwelle begann.

Auch damals hat die Politik den Fehler gemacht, zu früh zu lockern – und dann nicht mehr rechtzeitig zurückzukönnen. In der Folge starben im vergangenen Januar Hunderte, manchmal mehr als tausend Infizierte an einem einzigen Tag.

So schlimm wird es vielleicht nicht wieder kommen. Doch angesichts der vielen offenen Fragen, was zum Beispiel die Langzeitfolgen von Covid-19 bei Kindern betrifft, und angesichts der Menschen, die aufgrund ihres Alters nur schlecht durch die Impfung geschützt sind, kann es schlimm genug immer noch werden.

20 Oct 2021

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Kathrin Zinkant

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