taz.de -- Anfangsverdacht der Begünstigung: Cum-Ex-Razzia bei SPD-Größen
Die Kölner Staatsanwaltschaft durchsucht das Finanzamt in Hamburg. Die Cum-Ex-Affäre kommt so auch Olaf Scholz wieder gefährlich nahe.
Hamburg taz | Mit einem Jahr Verzug hat die Kölner Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit [1][Cum-Ex-Geschäften] das Finanzamt für Großunternehmen und Privatwohnungen in Hamburg durchsucht. [2][Wie der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und die Süddeutsche Zeitung berichteten], zielte die Razzia auf zwei einflussreiche SPD-Politiker und eine Finanzbeamtin. Damit holt der Skandal um ungerechtfertigte Steuerrückerstattungen den Kanzler in spe und ehemaligen Bürgermeister Hamburgs Olaf Scholz ein.
Anders als vor einem Jahr, als das Ansinnen der zuständigen Staatsanwältin Anne Brorhilker noch abgelehnt worden war, sei die Auswertung von Beweismitteln nun fortgeschritten, teilte die Kölner Staatsanwaltschaft auf taz-Anfrage mit. „Es haben sich auch weitere Erkenntnisse aus Gerichtsverhandlungen vor dem Landgericht Bonn ergeben, sodass nun ein entsprechender Anfangsverdacht wegen Begünstigung zu bejahen war.“
Im Klartext geht es um 47 Millionen Euro an Steuerforderungen gegenüber der Warburg-Bank, die die Hamburger Behörden 2016 verjähren ließen. Dabei handelt es sich um Steuern, die der Warburg-Bank zwar erstattet wurden, die diese aber gar nicht bezahlt hat.
Im Mittelpunkt steht die Frage, warum sich die Hamburger Behörden der Bank gegenüber so überaus kulant gezeigt haben. Vertreter des Finanzamtes und der Finanzbehörde versicherten, sie hätten nicht eindeutig ermitteln können, ob eine Rückforderung gerechtfertigt gewesen wäre. Überdies hätten sie das Haftungsrisiko gefürchtet, falls eine Rückforderung die Bank in die Insolvenz getrieben hätte. Eine politische Einflussnahme bestritten sie.
Verdächtige Spende
Ob das stimmt, ist fraglich. Denn der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat sich mehrfach mit Christian Olearius, einem Miteigentümer der Bank, getroffen und ein Schreiben von Olearius an seinen Finanzsenator, den heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) weitergeleitet, der es „mit der Bitte um Informationen zum Sachstand“ in seine Behörde gab.
Die von der Razzia betroffenen SPD-Politiker haben solche Kontakte möglicherweise angebahnt. Es handelt es sich um den ehemaligen Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der einer der Sprecher des Seeheimer Kreises war, der den rechten Flügel der SPD repräsentiert.
Warburg-Miteigentümer Christian Olearius hat ausweislich seiner Tagebücher beide Politiker kontaktiert, als 2016 die Rückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro drohte. Im Jahr darauf spendete Warburg der Hamburger SPD einen fünfstelligen Euro-Betrag.
Der betroffenen Finanzbeamtin wird unterstellt, einen zu engen Kontakt zu der Bank gepflegt zu haben und auf schwer nachvollziehbare Weise plötzlich ihre Einschätzung zur Frage einer Rückforderung revidiert zu haben.
28 Sep 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das Hamburger Bündnis von „Kaufleuten und Arbeiterklasse“ ist passé. Der Cum-Ex-Skandal bringt auch Kanzler Scholz erneut in Erklärungsnot.
„Zeit“-Herausgeber Josef Joffe intervenierte im Cum-Ex-Steuerskandal zu Gunsten eines Bankiers – und bezeichnete Informanten als Verräter.
Ein Kalendereintrag legt nahe, dass Peter Tschentscher als damaliger Hamburger Finanzsenator half, die Warburg-Bank steuerlich zu verschonen.
Beim Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss zeigt sich: Leitung und Sachbearbeiter im Finanzamt lagen mit ihren Einschätzungen weit auseinander.
Angeblich versteht keiner die Skandale von Finanzminister Olaf Scholz um CumEx und Wirecard. Doch! Es juckt nur niemanden.
Das Finanzamt Hamburg ließ Forderungen in Millionenhöhe verjähren. Holt der Skandal den Ex-Bürgermeister noch ein?
Ökonom Stefan Bach fordert mehr Kontrollen durch die Finanzämter. Das neue Portal könne der Rechtsstaatlichkeit dienen.