taz.de -- Rassistische Polizeigewalt in den USA: Täschchen statt Reform
In Minnesota kommt es bei Kontrollen immer wieder zu tödlichen Polizeischüssen. Ein neuer Vorschlag aus dem Innenministerium sorgt für Kritik.
Immer wieder sterben bei Verkehrskontrollen in den USA Menschen durch Polizeischüsse. Überproportional viele Schwarze und Persons of Color kommen dabei infolge [1][rassistischer Polizeistrukturen] ums Leben. Um solche Vorfälle zu reduzieren, setzt das Innenministerium des Staates Minnesota jetzt auf Plastikbeutel – und erntet dafür viel Kritik.
Eine Pressemitteilung des Ministeriums empfiehlt Autofahrer*innen, ihren Führerschein, den Fahrzeugschein und ihre Versicherungskarte in eine durchsichtige Plastiktasche zu stecken und diese gut sichtbar am Armaturenbrett zu befestigen. So sollen bei Verkehrskontrollen verdächtige Griffe ins Handschuhfach oder in Taschen – und damit tödliche Schüsse – vermieden werden.
„Die Polizist*innen der Minnesota State Patrol und anderer Einrichtungen werden die Taschen bei lokalen Veranstaltungen und anderen Gelegenheiten verteilen“, schrieb das Innenministerium auf [2][Twitter] zu einem Foto, das eine transparente Plastiktasche mit staatlichem Logo und den drei Dokumenten zeigt, die hineingehörten.
Nach anfänglicher Kritik an den Täschchen sagte ein Sprecher des Ministeriums dem Magazin [3][Newsweek], dass die Idee zu den gut sichtbaren Beuteln von Valerie Castile stamme, deren Sohn Philando Castile im Juli 2016 bei einer Verkehrskontrolle durch die Polizei Minnesota erschossen worden war.
Harsche Kritik
Ein Beamter hatte den 32-Jährigen angehalten und nach seinen Papieren gefragt. Als Castile nach seinem Geldbeutel griff, erschoss ihn der Polizist – vor den Augen seiner Partnerin und der 4-jährigen Tochter. Seitdem verloren auch weitere ihr Leben bei Verkehrskontrollen durch die Polizei Minnesota, darunter der Afroamerikaner Daunte Wright im April 2021.
„Wir hoffen, dass diese Taschen solche Vorfälle reduzieren helfen, und wenn es nur einer weniger ist“, so der Ministeriumssprecher. In den sozialen Medien aber gab es harsche Kritik an dem Vorschlag.
„Liebes Minnesota, damit könnt ihr nicht so gut angeben, wie ihr denkt. Cops sollten nicht eine Dokumententasche sehen müssen, um nicht zu schießen“, kommentierte die größte Schwarze Bürgerrechtsorganisation der Vereinigten Staaten, die NAACP.
Die Aktivistin Brittany Packnett Cunningham [4][twitterte] in Reaktion auf den Vorschlag aus dem Innenministerium: „Amerika: Wo die Polizei dir ein Täschchen gibt, anstatt dich nicht zu töten.“
21 Sep 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Im April wurde der Schwarze US-Amerikaner Daunte Wright von einer Polizistin erschossen. Nun hat eine Jury die Schützin schuldig gesprochen.
Die Schwarze Keechant Sewell wird die erste Frau an der Spitze der landesweit größten Polizeibehörde sein. Diese steckt gerade in der Krise.
Am Stadtrand von New Orleans misshandelt ein Mitarbeiter des örtlichen Sheriffsbüros eine schwarze Frau. Die Truppe ist für ihren Rassismus bekannt.
Der querschnittsgelähmte Afroamerikaner Clifford Owensby wird bei einer Kontrolle aus seinem Auto gezerrt. Nun soll eine Untersuchung den Fall klären.
Das Netzwerk „Copservation“ will polizeiliches Fehlverhalten dokumentieren. Fast jeden Tag erhalten die Mitglieder in sozialen Medien Berichte über Vergehen.
An die Verfolgung Schwarzer Deutscher unter dem NS-Regime wird bisher kaum erinnert. Dabei waren sie gezielte Opfer, sagt Forscher Robbie Aitken.
Der US-Kongress hat den 19. Juni zum offiziellen Feiertag erklärt – im Gedenken an das Ende der Sklaverei 1865. Es ist nur eine Etappe in der Debatte um Reparationen.
Seit Floyds Tod geht Black Lives Matter verstärkt auf die Straße. Doch systematische Unterdrückung von BIPoC wird nicht allein mit Demos beendet.