taz.de -- Pro Asyl zum Weltflüchtlingstag: Weniger Asylanträge in der EU

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnt davor, die Genfer Flüchtlingskonvention auszuhöhlen. Am Mittwoch startet die zweite Libyen-Konferenz.
Bild: Auf der Flucht: Eine Mutter mit ihren Kindern im Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos

Osnabrück/Berlin epd |. Zum [1][Weltflüchtlingstag am Sonntag] und wenige Tage vor der zweiten Libyen-Konferenz in Berlin warnt Pro Asyl die EU-Staaten davor, die [2][Genfer Flüchtlingskonvention] weiter auszuhöhlen. „Staaten dürfen die Flüchtlinge an ihren Grenzen nicht zurückweisen, ohne zuvor ihre Schutzbedürftigkeit zu prüfen“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Er befürchte, „dass die EU-Staaten der Genfer Flüchtlingskonvention dieses Herzstück entreißen“.

Burkhardt erinnerte daran, dass die Vereinten Nationen vor 70 Jahren am 28. Juli 1951 das Zurückweisungsverbot in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerten. Dies sei unter dem Eindruck der Nazi-Zeit geschehen, als die von Hitler Verfolgten vor geschlossenen Grenzen standen.

Derzeit passiere an den [3][EU-Außengrenzen] vielfach das genaue Gegenteil von dem, was die Flüchtlingskonvention garantiere, kritisierte Burkhardt. Das Zurückschleppen von Booten in libysche Hoheitsgewässer und das Herbeirufen der libyschen Küstenwache zu Bootsflüchtlingen selbst in internationale Gewässer seien ein Anschlag auf die Menschenrechte der Geflüchteten. In Libyen würden viele Flüchtlinge gefoltert und misshandelt. „Heute werden die Verfolgten und Gefolterten aber mithilfe der EU-Staaten zu ihren Peinigern zurückgeschleppt, so landen sie in dem Elend, aus dem sie geflohen sind“, unterstrich der Menschenrechtler.

Weniger Asylanträge als 2015

Burkhardt beklagte, dass immer weniger Menschen es schafften, in einem EU-Land einen Antrag auf Asyl zu stellen. Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat bestätigten dies: Im Jahr 2020 seien die Asylzugangszahlen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Drittel gesunken, im Vergleich zu 2015 sogar um fast zwei Drittel (66 Prozent). So stellten laut Eurostat im Jahr 2015 rund 1,2 Millionen Menschen einen Antrag auf Asyl in einem EU-Land, 2019 waren es rund 631.000 Menschen und 2020 nur noch rund 417.000 Menschen. „Die sinkenden Zahlen der Asylanträge sind ein Ergebnis der Abschottungsmaßnahmen der EU“, sagte Burkhardt. Das bestätigten auch Zahlen des UNHCR.

Burkhardt begrüßte die Einladung von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und UN-Generalsekretär Antonio Guterres zur zweiten Libyen-Konferenz an diesem Mittwoch, um die „Staatsruine“ zu stabilisieren. „Das darf aber nicht auf Kosten von Menschenrechten geschehen und zum Nachteil jener Menschen, die in Europa um Schutz nachsuchen.“

Burkhardt forderte ein Ende der Push-back-Politik. „Die Kooperation mit der verbrecherischen libyschen Küstenwache muss aufhören. Deutschland bildet diese aus, Italien stellt Schiffe – die Europäer dürfen der Fluchtabwehr nicht alles unterordnen.“ An Europas Grenzen entscheide sich, ob Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch in Zukunft die Grundlage des staatlichen Handelns seien. „Schutzsuchende dürfen an Europas Grenzen nicht zurückgewiesen werden. Der Zugang zum Recht auf Asyl muss gewährleistet sein.“

20 Jun 2021

LINKS

[1] /Globale-Fluechtlingszahlen-von-UNHCR/!5779796
[2] /Expertin-ueber-Fluechtlingspolitik/!5697502
[3] /Push-backs-von-Gefluechteten/!5687089

TAGS

Weltflüchtlingstag
Pro Asyl
Libyen
Menschenrechte
Schwerpunkt Flucht
UNHCR
Bildung
Schwerpunkt Libyenkrieg
EU-Türkei-Deal
Schwerpunkt Flucht
Tunesien

ARTIKEL ZUM THEMA

70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention: UNHCR-Chef alarmiert über Verstöße

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Grundpfeiler humanitärer Zusammenarbeit. Zum 70. Jahrestag äußert UN-Hochkommissar Grandi Kritik an vielen Ländern.

Schulbildung für Flüchtlingskinder: Hungern nach Unterricht

Während Europas Schulkinder in der Pandemie Onlineunterricht hatten, gibt es in griechischen Flüchtlingslagern oftmals nicht mal Papier. Etwa in Moria.

Libyen-Konferenz in Berlin: Tropfen in der libyschen Wüste

Mit der Einheitsregierung und einem vereinbarten Wahltermin geht die Stabilisierung Libyens voran. Gefährlich und problematisch bleiben die Söldner.

Globale Flüchtlingszahlen von UNHCR: Mehr als je zuvor

Ende 2020 waren weltweit 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht, mehr als je zuvor. Die meisten davon im eigenen Land. Besserung ist nicht in Sicht.

Brand im griechischen Lager Moria: Lange Haft für vier Geflüchtete

Ein Gericht verurteilt vier Männer wegen Brandstiftung im Flüchtlingslager Moria. Im Schnellverfahren und aufgrund einer einzigen Zeugenaussage.

Geflüchtete in Tunesien: „Stiller Exodus, stilles Massaker“

Immer mehr Menschen aus Afrika bleiben bei ihrem Versuch, nach Europa zu gelangen, in Tunesien hängen. Die Zahl der Toten auf dem Mittelmeer steigt.