taz.de -- Diplomatische Beziehungen: Neuer Ton in US-Botschaft
Amy Gutmann soll die nächste US-Botschafterin in Deutschland werden. Dabei könnte sie auch einfach in den Ruhestand gehen.
Wenn der US-Senat sie bestätigt, wird die 71-jährige Amy Gutmann die nächste US-Botschafterin in Deutschland werden. Die Nominierung der langjährigen Präsidentin der University of Pennsylvania durch US-Präsident [1][Joe Biden] meldete zuerst der Spiegel. Gutmann ist die erste weibliche US-Botschafterin in Deutschland.
Zu Deutschland hat Gutmann eine familiäre Verbindung: Ihr Vater Kurt Gutmann stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie im fränkischen Feuchtwangen. Angesichts der Bedrohung durch die Nazis emigrierte er 1934. Er hatte in die USA auswandern wollen, wurde dort aber nicht aufgenommen. Stattdessen ging er nach Indien und lebte bis 1948 in Bombay. Erst als er eine New Yorkerin kennenlernte und heiratete, siedelte er in die USA über, wo Amy Gutmann 1949 als erstes Kind des Ehepaars zur Welt kam.
Amy Gutmann hat sich in der akademischen Welt einen Namen gemacht. Seit 2004 steht die Philosophin und Politikwissenschaftlerin an der Spitze der renommierten University of Pennsylvania, ihr Vertrag wurde immer wieder verlängert und läuft bis 2022. So lange hat noch niemand vor ihr die Uni geleitet. Laut deren Website nutze sie ihre Amtszeit für jede Menge Innovationen – allen voran die Senkung der Studiengebühren für Student*innen aus weniger begüterten Familien.
Das passt zu Gutmanns wichtigsten Themen: Ethik- und Gerechtigkeitsfragen. Über Ungerechtigkeiten im Bildungs- und Gesundheitssystem der USA hat sie immer wieder geschrieben und sich auch mit Beiträgen in den US-Medien in die Debatten eingemischt.
Kurzerhand bei Die-in mitgemacht
Als 2014 eine Party bei ihr zu Hause von einer Demonstration gegen den Tod des Schwarzen Michael Brown in Ferguson unterbrochen wurde, schloss sie sich dem Protest kurzerhand an und legte sich mit den Demonstrierenden in einem Die-in auf den Boden – was ihr Kritik aus Teilen der Polizei einbrachte.
Der Wechsel in eine diplomatische Karriere ist ungewöhnlich für eine Akademikerin, die sich genauso gut in den Ruhestand begeben, ihren ohnehin schon vielen Buchveröffentlichungen weitere hinzufügen und hochbezahlte Vorträge halten könnte. Aber mit Joe Biden hält sie eine lange Verbindung und die Idee des Multilateralismus ist ihr wichtig.
Wenn sie tatsächlich nach Berlin kommt, wird der Botschafterposten nach langer Interimsbesetzung wieder richtig ausgefüllt sein. Der letzte offizielle Amtsinhaber war Richard Grenell. Der rüpelige Kettenhund [2][Donald Trumps] hatte schon vor seinem Amtsantritt verkündet, seinen Posten vor allem nutzen zu wollen, um die europäische extreme Rechte zu stärken. In wenigen Monaten brach er mit allen diplomatischen Gepflogenheiten und hinterließ die deutsch-US-amerikanischen Beziehungen in Scherben.
Mit Gutmann wird ein vollkommen anderer Ton einziehen. Aber spielen kann mit der Politologin niemand: Gutmann ist eine starke, von sich selbst überzeugte Führungsfigur.
1 Jul 2021
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