taz.de -- Sebastian Kurz und Attila Hildmann: Mama regelt das
Sebastian Kurz versucht mit Verweis auf seine Mutter Mitleid zu erheischen. Und Attila Hildmann will durch seine Mutter von dem Haftbefehl erfahren haben.
Der Papa wird’s schon richten“, sang der österreichische Kabarettist Helmut Qualtinger in den 50ern. Heute scheinen es dem zeitgenössischen Diskurs folgend die Mütter zu sein, die richten müssen, was ihre Söhne verbockt haben.
Unlängst hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz seine Mama ins Spiel gebracht und gegenüber der Kronen Zeitung auf die Tränendrüse gedrückt: „[1][Meine Mutter ist extrem traurig und besorgt].“ Sie habe sich für ihren Basti etwas anderes vorgestellt als diesen Umgang.
Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz [2][wegen mutmaßlichen Falschaussagen] im Ibiza-Untersuchungsausschuss.
Dass Kurz auf seine Mutter verwies, war eine Steilvorlage für den Satiriker Jan Böhmermann, der das Ganze gleich in einen Tweet verwandelte und proklamierte, Kurz sei der erste Bundeskanzler der Welt, dem seine [3][„Mami aus der Patsche“] helfen müsse. Ein dem Kanzler zugewandtes Medium bezeichnete Böhmermanns Vorgehen als [4][„Generalangriff“], geschmacklos und ohne Anstand.
Mütterliche Protektion
Aber warum bringt Kurz überhaupt seine Mutter aufs Tapet? Dem oamen Buam soll die mitleidheischende Referenz Empathie bringen; ganz im Sinne der [5][sogenannten „Message-Control“], mit der Kurz von je her seine mediale Präsenz kuratiert. In seiner aktuellen Notlage dürfte er hoffen, dass ihm durch die Erwähnung der besorgten Frau Mama Anteilnahme garantiert ist. Die Mama soll es also richten.
Auch der Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann greift gerne auf Mamas Hilfe zurück. Seit Monaten wird er wegen des Verdachts auf Volksverhetzung per Haftbefehl gesucht. Er soll sich in der Türkei aufhalten. Hildmann soll davon erfahren haben, bevor der Haftbefehl vollstreckt werden konnte und seinen Telegram-Anhänger*innen mitgeteilt haben, dass er dringend untertauchen müsse. Die [6][Berliner Staatsanwalt vermutet nun, dass jemand aus den eigenen Reihen diese Information] an Hildmann weitergegeben hat. Er selbst soll behauptet haben, [7][dass seine Mutter] vom Haftbefehl erfahren habe, weil Polizisten ihr das gesagt hätten.
Sollte das wahr sein, wäre auch das ein astreines Beispiel für mütterliche Protektion.
21 May 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Autorität fällt, wenn ihr obszönes Gesicht publik wird. Das Starprinzip aber ist resistent gegen Entzauberungen, wie Sebastian Kurz zeigt.
Der Verschwörungstheoretiker und Koch wurde wohl aus den Behörden vor seiner drohenden Verhaftung gewarnt. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt intern.
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz wird von der Justiz demontiert. Sein Image als smarter Jungpolitiker wird nachhaltig Schaden nehmen.
Es ist der zweite Muttertag, seit ich ein Kind bekommen habe. Was bin ich denn jetzt? Raben-, Helikopter- oder Insta-Mom?