taz.de -- Verein „Polizisten für Aufklärung“: Schwurbelnde Beamte

Im Verein „Polizisten für Aufklärung“ organisieren sich Beamte, die der Querdenker-Szene angehören. Das Ziel ist, neue Mitglieder zu rekrutieren.
Bild: Auch auf dieser Querdenker-Demo im April in Frankfurt werben Coronaleugner Polizist:innen an

Hamburg taz | Die Aktionen der Querdenken- und Coronaleugnungsbewegung gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen halten an, ihre Strukturen werden weiter ausgebaut. In Tangstedt nahe Hamburg hat ein neuer Verein seinen Sitz: „Polizisten für Aufklärung e.V.“. Dem Kürzel „i.G.“ auf der Webseite des „Vereins für die Bürger in Uniform“ ist zu entnehmen, dass die Gründung noch nicht ganz offiziell abgeschlossen ist.

Die Mitglieder des Vereins aus der schleswig-holsteinischen Gemeinde kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. Den Vereinsvorsitz hat etwa Karl Hilz aus München inne. Er war über 40 Jahre im Polizeidienst der bayrischen Landeshauptstadt. Heute ist er bei Querdenken aktiv, schimpft auf der Bühne gegen das neue Infektionsschutzgesetz als „Ermächtigungsgesetz“ und trägt bei Demonstrationen das Erkennungszeichen der Widerstandsgruppe um Hans und Sophie Scholl: die „Weiße Rose“. Das ist die gängige Symbolik dieser Bewegung und soll den vermeintlich berechtigten Widerstand gegen „Merkel-Diktatur“ und kommenden Faschismus ausrufen.

Das Vereinsschatzmeisteramt hat Michael Fritsch übernommen. Der Kriminalhauptkommissar aus Hannover wetterte bei Querdenken-Protesten, dass die Maßnahmen Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung aushebeln würden: „Wir haben eine völlige Willkür.“ Und er weiß, dass die DDR „uns etwas vorausgehabt“ hätte: „eine Verfassung“ nämlich. Wir hätten nur „ein Grundgesetz, das immer noch vorläufig“ sei.

Über seine Kollegen sagt der Polizist, dass viele in Ordnung seien. Doch hätten eben auch „viele Kräfte in Polizeiuniform“ bei der Demonstration „diesen Beruf nicht gelernt“. Für ihn seien das „gekaufte Söldner“. Bereits im August 2020 hat die Polizeidirektion Hannover Fritsch suspendiert, die Ermittlungen laufen noch.

Über 14.000 Abonnenten bei Telegram

Der Name des Vereins orientiert sich an Vorbildern aus der Bewegung, wie etwa [1][„Ärzte für Aufklärung“] oder „Anwälte für Aufklärung“. Die Adresse in Tangstedt deckt sich mit der Kanzlei von Ivan Künnemann. Der Rechtsanwalt tritt für die Anwälte für Aufklärung auf.

Als „kurzfristiges Ziel“ möchte der Verein der verschwörungsnahen Polizist:innen eine „Anlaufstelle sein für „aktive und passive Beamten in Uniform und Mitarbeiter von Institutionen für zivile und militäre Sicherheit und Ordnung“ – falls sie Fragen haben oder Unterstützung bräuchten, weil sie wegen „der aktuellen Lage verunsichert, besorgt oder unzufrieden“ seien.

Kurz: Die Querdenker-Bewegung will in den Sicherheitsstrukturen weitere Anhänger:innen gewinnen. Der Jahresbeitrag beträgt 60 Euro. Bei Telegram hat der Verein „14.220 Abonnenten“. Hier werden sie auch noch etwas deutlicher: „Gemeinsam gegen den Great Reset“, wird dort gefordert, „schließt euch an!“

6 May 2021

LINKS

[1] /Hamburger-Aerzte-fuer-Aufklaerung/!5702830

AUTOREN

Andreas Speit

TAGS

Schleswig-Holstein
"Querdenken"-Bewegung
Polizei
Coronaleugner
Polizei Niedersachsen
Privatschule
"Querdenken"-Bewegung
Polizei Niedersachsen
Lesestück Recherche und Reportage
Kolumne Der rote Faden
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Aus dem Dienst geklagt: Polizei schmeißt Querdenker raus

Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch ist bundesweit als Coronaleugner, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker in Erscheinung getreten.

Freie Schule in Hamburg beantragt: Eine Schule fürs Querdenken

Ein Verein aus dem Milieu der Coronaleugner:innen will eine Freie Schule gründen. Der Antrag liegt vor, das Konzept lässt sich erahnen.

Klage gegen Querdenken-Polizist: Umstürzler „mit Herz und Hirn“

Die Polizei Hannover will einen Kollegen loswerden, der auf Querdenken-Demos spricht. Im Netz bekommt der Kommissar prominente Unterstützung.

„Querdenker“ bei der Polizei: Schutzmann träumt vom Umsturz

Gegen Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch wird disziplinarisch ermittelt. Er spekuliert auf das Ende der alten Ordnung.

Radikalisierung einer Bewegung: Der Staat als Endgegner

Teile der sogenannten Corona-Protestbewegung sind längst gewaltbereit. Hat ein Mann aus Franken einen Anschlag auf eine ICE-Strecke verübt?

Querdenken?: Kritik der kritischen Unvernunft

Was ist das eigentlich: Das Querdenken. Eines scheint vorab sicher zu sein: Mit Aufklärung hat das wenig zu tun.

Hamburger „Ärzte für Aufklärung“: Der Verschwörung auf der Spur

Die Hamburger „Ärzte für Aufklärung“ sind willkommene Gäste bei Corona-Demos und Verschwörungsideologen. Wofür stehen sie?