taz.de -- Plakataktionen Hamburger Musikclubs: Die ganz große Freiheit
Mit angeblich unterdrückter Meinung zur Coronapolitik plakatieren Docks und Große Freiheit 36 ihre Fassaden. Kritik daran stößt auf wenig Einsicht.
Hamburg taz | Dass die Betreiber*innen eines Konzertschuppens, durch Pandemie und Shutdown ihrer Einnahmen beraubt, Trost darin suchen, [1][die Existenz des Problems zu leugnen]: Menschlich ist das nachvollziehbar. Das stand sinngemäß [2][im vergangenen Juni] an dieser Stelle.
Da hatte sich zum ersten Mal Streit entzündet an der Fassadengestaltung des traditionsreichen [3][Docks] am Spielbudenplatz: Wer das Bedürfnis hatte, „eine Alternative Meinung“ (sic!) zu äußern, erhielt dazu Gelegenheit – in Gestalt eines Plakats, Format A1, „für einen Unkostenbeitrag von 20 Euro für einen Zeitraum von vier Wochen“.
Zu lesen gab es auf den Plakaten Erwartbares: Die angeblich gleichgeschalteten Medien wurden bemängelt, allerlei Panikmache beklagt, und immer wieder die Behauptung: Was da nun stehe, werde überall sonst unterdrückt. Das stimmte damals so wenig, wie es das heute tut, aber davon ganz unbeirrt finden sich solche Plakate inzwischen auch an der [4][Großen Freiheit 36.]
Dieser Tage gibt es wieder Streit, insofern brisanter, als sich teils langjährige Geschäftspartner*innen [5][distanziert haben] von den Auftrittsorten: Mehrere Konzertveranstalter und Labels – „für weit über 90 Prozent eures Programms verantwortlich“ – kündigten am 17. März per offenem Brief an, ihre Künstler*innen dort nicht mehr auftreten zu lassen.
Künftig Pluralismus auch an der Fassade
Aber sie reichten den Empfänger*innen auch die Hand: „Da wir aber im Gegensatz zu euch nicht der Meinung sind, dass es in diesem Land keine Meinungsfreiheit gibt, möchten wir euch zumindest die Gelegenheit geben, zu dieser Sache Stellung zu beziehen.“
Am Donnerstag nun [6][kam Antwort] – der mäßig einsichtigen Art. Docks und Große Freiheit 36 wollen die Plakate nicht abhängen, aber künftig auch „Meinungen von Maßnahmenbefürwortern“ Platz gewähren. Bezeichnenderweise stellen die Verfasser*innen ihrem langen Statement ein angebliches Voltaire-Zitat voran: „Ich mag verdammen, was Du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass Du es sagen darfst.“ In diversen Übersetzungen wird das dem Aufklärer zugeschrieben – [7][gesagt oder geschrieben hat er es so nie].
27 Mar 2021
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