taz.de -- Nulltarif im Nahverkehr: Tramfahren mit der SPD

Drei Bremer Bürgerschaftsabgeordnete proben die ÖPNV-Revolution: Bus- und Bahnfahren könnten in der Hansestadt in Zukunft über Steuern bezahlt werden.
Bild: Einfach einsteigen, ein Ticket braucht man nicht – eine Vision für Bremens Busse und Bahnen

Bremen taz | Besser, gerechter, einfacher: So ungefähr präsentieren Bürgerschaftsabgeordnete der SPD ihr Konzept für den Bremer Nahverkehr. Was Arno Gottschalk, Anja Schiemann und Falk Wagner am Freitag in einer Pressekonferenz präsentiert haben, geht weit: Sie schlagen einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für alle Bremer*innen vor, und das schon zum 1. Januar 2023. In einem nächsten Schritt sollen auch Pendler*innen und Besucher*innen fürs Bus- und Bahnfahren keine Fahrkarte mehr kaufen müssen.

Als Motivation für das Vorhaben wird, na klar, der Klimaschutz genannt: Der Verkehr macht in Bremen 26 Prozent der Treibhausgase aus (sofern man die Emissionen des großen Stahlwerks in der Rechnung außen vor lässt). Wenn in Zukunft mehr Strecken mit Bus und Bahn zurückgelegt würden (aktuell sind es in Bremen nur 15 Prozent), könnte das die Emissionen ein gutes Stück senken: Gegenüber Autoverkehr spart der öffentliche Verkehr gut die Hälfte an CO2.

Soziale Gründe kommen für die Sozialdemokrat*innen dazu: Für einkommensschwache Menschen sei Autofahren unerschwinglich, Fahrradfahren nicht immer möglich. Der ÖPNV sei bisher kein Ausweg aus dieser Not, so Falk Wagner: Eine vierköpfige Familie kommt für vier Bremer Monatstickets aktuell auf Kosten von 212 Euro, rechnet der stadtentwicklungspolitische Sprecher vor. Es brauche ein solidarisches Finanzierungsmodell.

Das funktioniert im SPD-Konzept über Steuern – hier unterscheidet sich der Plan vom [1][abgabefinanzierten Modell,] mit dem die Bremer Initiative „Einfach Einsteigen“ 2019 die Debatte angeschoben hatte. Geplant wird mit einer Erhöhung der Grundsteuer; ein durchschnittlicher Haushalt, so die Rechnung, müsste monatlich 18 Euro mehr zahlen, damit Bremer*innen in Bremen kein Ticket mehr brauchen.

Gleichzeitig ist ein Ausbau des ÖPNVs geplant

Das Geld soll nicht nur die Fahrkarteneinnahmen ersetzen; es soll auch reichen, um den ÖPNV besser zu machen, damit die Bürger*innen ihn auch tatsächlich nutzen. Expressbusse etwa sollen innenstadtferne Stadtteile und Gewerbegebiete anbinden.

Das Konzept setzt für eine Übergangszeit auf Busse statt auf Straßenbahnen. „Wir stehen hinter dem Straßenbahnausbau“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der SPD Fraktion, Anja Schiemann. „Aber gegen Straßenbahnen wird schon mal geklagt – mit den Bussen können wir das Netz schneller und unbürokratischer ausbauen.“

Mehr Attraktivität versprechen sich die Abgeordneten aber vor allem durch eine höhere Taktung. Fahrpläne werden in ihrer Vision unnötig – Busse und Bahnen führen danach so oft, dass man jederzeit zur Haltestelle könne; werktags käme mindestens alle 7,5 Minuten ein Bus, auf wichtigen Strecken auch alle fünf Minuten, so der Plan.

Genug, um groß zu denken?

Von der Initiative „Einfach Einsteigen“ gibt es zwar viel Lob für das Konzept – für einen echten Ausbau, so Sprecher Wolfgang Geißler, werde die Finanzierung über die Grundsteuer aber wohl nicht reichen. „Um groß zu denken, haben wir hier nicht die richtigen Mittel“, sagt Geißler. Die Initiative hatte [2][vor zwei Wochen einen eigenen Plan] zum Ausbau vorgelegt – mit gänzlich neuen Straßenbahnlinien auf einem um 120 Kilometer größeren Straßenbahnnetz.

Das Konzept ist bisher nicht vom Parteitag beschlossen – am 27. März muss die SPD-Basis entscheiden, was daraus werden soll.

13 Mar 2021

LINKS

[1] /Tram-und-Bus-ohne-Ticket/!5566939
[2] /Strassenbahn-Ausbau-in-Bremen/!5750612

AUTOREN

Lotta Drügemöller

TAGS

SPD Bremen
grüne Mobilität
365-Euro-Ticket
Bremen
Mobilität
Öffentlicher Nahverkehr
Straßenbahn
Kiel
365-Euro-Ticket
Verkehrswende
Verkehrswende
Kostenloser Nahverkehr

ARTIKEL ZUM THEMA

Mobilitätswende in Kiel: Die Rückkehr der Straßenbahn

Das einzige öffentliche Verkehrsmittel in Kiel ist der Bus. Deshalb soll es wieder eine Straßenbahn geben. Das ist dringend nötig.

Freie Fahrt in Bus und Bahn: Wo geht die Reise hin?

Der Nahverkehr steht vor großen Herausforderungen. Warum also nicht groß denken? Ein ticketloser ÖPNV ist die Vision einer Welt, wie sie sein sollte.

Straßenbahn-Ausbau in Bremen: Endstation Zukunft

120 Kilometer mehr Netz, eine Ringlinie und eine Verbindung bis Oyten: BUND und „Einfach Einsteigen“ liefern Ideen zu einem neuen Straßenbahnnetz.

Bremer Enquetekommission Klimaschutz: Nahverkehr fährt hinterher

Die Klimaschutz-Enquete hat sich Gedanken gemacht, wie die Stadt im Verkehr CO2 einsparen kann. Dafür müssten vor allem mehr Busse und Bahnen fahren.

Bremer Idee zum öffentlichen Nahverkehr: Jeder fährt umsonst und alle zahlen

20 Euro für eine Flatrate in Bus und Bahn für alle BremerInnen? Zwei Drittel finden das gut, ergab eine repräsentative Umfrage.