taz.de -- Informationen an Russland gegeben: Mutmaßlicher Spion angeklagt

Der Mitarbeiter einer Elektro-Firma soll Grundrisse von Bundestagsgebäuden an Russland gegeben haben. Moskau streitet ab, Verbindungen zu dem Mann zu haben.
Bild: Jens F. soll sensible Informationen an den russischen Geheimdienst verraten haben

Karlsruhe/Berlin dpa/reuters | Die Bundesanwaltschaft hat einen Deutschen wegen Spionage angeklagt, weil er Grundrisse von Bundestagsgebäuden an Russland weitergegeben haben soll. Bei dem Verdächtigen Jens F. handele es sich um einen Mitarbeiter eines Unternehmens, das in der Vergangenheit mehrfach für den Bundestag elektrische Geräte gewartet habe, teilte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe mit.

Es bestehe der Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Der Mann aus dem Raum Berlin habe „aus eigenem Antrieb“ gehandelt und sei nicht vom [1][russischen Geheimdienst] angeworben worden, erklärte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft.

Die Firma des 55-Jährigen sei wiederholt damit beauftragt worden, die Sicherheit von elektrischen Geräten wie Druckern oder Lampen zu überprüfen, teilte die Anklagebehörde am Donnerstag in Karlsruhe mit. Der Mann habe dabei Zugriff auf Dateien mit den Grundrissen der Liegenschaften des Bundestags gehabt.

Spätestens zwischen Ende Juli und Anfang September 2017 habe er sich entschlossen, die Daten an den russischen Militärgeheimdienst GRU weiterzugeben. Er schickte demnach eine selbstgebrannte CD-Rom an einen Mitarbeiter in der russischen Botschaft in Berlin, der hauptamtlich für den Militärgeheimdienst tätig ist.

Russland empört über Vorwürfe

Der 55-Jährige sei nicht in Untersuchungshaft, weil es keinen dringenden Tatverdacht und keine Fluchtgefahr gebe, sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft. Nun müsse der Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin anhand der vorgelegten Indizien entscheiden, ob er die Anklage zulässt.

Das Motiv des Mannes sei noch unklar, er habe jedenfalls vorher keine Kontakte nach Russland gehabt. Wodurch der mutmaßliche Spion aufgeflogen ist, wollte der Sprecher nicht sagen. Die Bundestagsverwaltung wollte sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht dazu äußern.

Die FDP zeigte sich empört: „Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, wäre dies ein ungeheuerlicher Vorgang. Nach [2][dem Cyberangriff von 2015] wäre der russische Geheimdienst ein weiteres Mal in einen Sicherheitsvorfall involviert“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Marco Buschmann. Der Vorfall müsse „restlos aufgeklärt werden und Konsequenzen für die Absicherung des Deutschen Bundestages haben“.

Die Reaktion aus Russland kam prompt. „Derartige Berichte über erwischte „russische Spione“ befeuern nur eine antirussische Informationskampagne, um den Mythos der Moskauer Aggression zu unterstützen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Leonid Sluzki, der Agentur Interfax. Zudem stelle er sich die Frage, warum der Fall erst jetzt bekannt wurde und nicht schon 2017. „Der Verfolgungswahn verstärkt sich.“

25 Feb 2021

LINKS

[1] /Russischer-Geheimdienst-FSB/!5735335
[2] /Cyberangriff-auf-den-Bundestag-2015/!5682997

TAGS

Spionage
Russland
Geheimdienst
Spionageabwehr
Spion
Geheimdienst
Cyberattacke
Hacker
Hacker

ARTIKEL ZUM THEMA

Fast ein Jahrzehnt Agententätigkeit: Politologe wegen Spionage angeklagt

Der Beschuldigte Klaus L. soll Informationen an den chinesischen Geheimdienst weitergegeben haben. Angeworben wurde er mutmaßlich schon 2010.

Geheimdienstskandal in Dänemark: Eine Abhörstation vor Kopenhagen

Eine Geheimdienstaffäre bringt Dänemarks Regierung in Erklärungsnot. Der Skandal reicht weit ins verbündete Lager – und war schon früher bekannt.

Cyberangriff auf den Bundestag 2015: Drahtzieher wohl identifiziert

Laut Medienberichten ist für den Hackerangriff auf den Bundestag 2015 ein russischer Agent verantwortlich. Das FBI hat seit Längerem nach ihm gesucht.

Hacker-Angriff auf Labor: Schweiz wirft Russland Spionage vor

Diplomatische Krise zwischen der Schweiz und Russland: Hintergrund ist ein Cyberangriff auf ein Labor mit einer Verbindung zum Fall Skripal.

Cyberangriff auf Ministerien: Hacker noch im Bundesnetz

Monatelang sind Ministerien Ziel eines Angriffs. Das Parlament wird nicht informiert. Unklar ist, wer hinter der Attacke steckt.