taz.de -- Russland und die EU: Kritik aus der Ukraine

Nach dem missglückten Besuch von EU-Außenminister Josep Borrell in Moskau ist das Medienecho in der Ukraine geteilt.
Bild: Unter EU-Abgeordneten gerade sehr umstritten: EU-Außenminister Josep Borrell

Kiew taz | Sehr genau beobachtet man in der Ukraine die zunehmende Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und Russland. Im Zentrum der Kritik steht der Besuch des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell in Moskau.

Irina Geraschtschenko, Abgeordnete der Partei Europäischen Solidarität und politische Weggefährtin von Ex-Präsident Petro Poroschenko, wundert sich in der Zeitung NV, wie es dem Außenbeauftragten der EU nur passieren konnte, dass ihm auf der Pressekonferenz mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow so erniedrigend der Kopf gewaschen wurde, während gleichzeitig europäische Diplomaten zu Personae non gratae erklärt wurden. Und der EU falle als Antwort darauf nichts Besseres ein, als ihre Unterstützung zu Nord Stream 2 zu erklären und über den Kauf des russischen Impfstoffs Sputnik V nachzudenken, mokiert sich Geraschtschenko.

Ebenso verdammt die englischsprachige Kyiv Post die Reise von Borrell. Er habe die EU schwach und dumm aussehen lassen. Keines der angestrebten Ziele sei erreicht worden.

Armin Laschet ist die freudige Überraschung

Doch der Borrell-Besuch habe auch ein positives Ergebnis gebracht, analysiert Sergei Solodkij von dem Thinktank Neues Europa auf dem Portal liga.net. Nun wisse man endgültig, dass Russland einen Dialog nicht brauche. Auch Iwan Jakowyna kann dem Borrell-Besuch eine positive Seite abgewinnen: Glücklicherweise entschieden ja die Frage von Sanktionen gegen Russland die europäischen Regierungen und nicht Brüssel.

[1][Deutschland, das den Bau der von der Ukraine kritisierten Gasleitung Nord Stream 2 aktiv vorantreibt], wird von ukrainischen Medien hingegen kaum kritisiert. Merkel-Nachfolger Armin Laschet wird als freudige Überraschung dargestellt, weil er die Perspektive einer ukrainischen EU-Mitgliedschaft sehe, den Vorwurf, prorussisch zu sein, dementiert und Russland für die Krim-Annexion und seinen Einsatz von bewaffneten Kräften in der Ostukraine und die Verhaftung von Nawalny kritisiert habe.

9 Feb 2021

LINKS

[1] /US-Sanktionen-wegen-Nord-Stream-2/!5751156

AUTOREN

Bernhard Clasen

TAGS

Nord Stream 2
Ukraine
Kreml
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Klimawandel
Russland
Alexei Nawalny

ARTIKEL ZUM THEMA

Eskalation in der Ostukraine: Sorge um brüchigen Waffenstillstand

Berichte über russische Truppenbewegungen in Richtung Donbass und Krim mehren sich. Zuletzt starben wieder mehrere Soldaten.

US-Sanktionen wegen Nord Stream 2: Geheimer Brief von Olaf Scholz

Damit die USA Nord Stream 2 nicht länger torpedieren, soll der Finanzminister eine Milliarde Euro für Frackinggas-Terminals geboten haben.

Verhältnis von EU und Russland: Nicht jeder ist willkommen

Moskau weist drei westliche Diplomaten wegen Teilnahme an einer Demonstration aus. Parallel dazu führt Brüssels Außenbeauftragter Gespräche im Kreml.

Urteil gegen Nawalny: Das Verdikt aus der Schublade

Moskau musste Alexei Nawalny hinter Gitter schicken, um sich nicht lächerlich zu machen. Der Kreml trägt sein Gewaltmonopol zur Schau.