taz.de -- Kältehilfe in Berlin: „Obdachlosigkeit abschaffen“

Berlins Sozialsenatorin will Kältehilfe und Unterbringung von obdachlosen Menschen beim Senat bündeln. Bis 2030 soll Obdachlosigkeit Geschichte sein.
Bild: Notlösung: Sozialsenatorin Elke Breitenbach besichtigt 2019 eine Unterkunft der Kältehilfe

BERLIN taz | Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) möchte die Kältehilfe in Berlin anders strukturieren. Die Pandemie habe die Schwächen des Hilfesystems offengelegt, sagte sie in einem Pressegespräch. Jedes Jahr sei lange unklar, wie viele Plätze es gebe. Die Senatorin will daher den Bezirken vorschlagen, die Organisation der Kältehilfe künftig beim Senat anzusiedeln – und damit auch die bisher von den Bezirken dafür aufgewendeten Gelder und Stellen „zentral steuern“. Dazu würde sie die 2018 eingerichtete Koordinierungsstelle ausbauen. „Das ist ein Angebot“, sagte Breitenbach, sie wolle nun mit den Stadträt*innen das Gespräch dazu suchen.

Für die rund 1.000 Plätze in der [1][Kältehilfe] stehen 3,8 Millionen Euro im Haushalt. Breitenbach rechnet für 2020 mit zusätzlichen Kosten von rund 10 bis 13 Millionen Euro für die Obdachlosenhilfe, etwa für 24-Stunden-Einrichungen. „Das viele Geld muss besser eingesetzt werden“, sagte sie. „Wir kommen mit Gemeinschaftsunterkünften nicht mehr weiter“, die Unterbringung dort sei oft prekär.

Eine Vorlage, wie es besser laufen könnte, böten Erfahrungen aus den 24-Stunden-Einrichtungen. „Wir sehen: Wenn Sozialarbeiter*innen die Menschen dort proaktiv ansprechen, dann nehmen die Menschen auch Beratung an“, sagte Breitenbach. Solche Begleitangebote müssten ausgebaut werden. Mehr Beratung „könnte auch die Tendenz stoppen, dass zuletzt mehr Menschen niedrigschwellige Hilfe suchen“, sagte auch ihr Staatssekretär, er räumte allerdings ein, dass in die Kältehilfe oft besonders vulnerable Menschen mit multiplen Problemen kämen.

Unterbringung zentral steuern

Außerdem will die Sozialverwaltung die Unterbringung von Menschen künftig aus einer Stelle heraus zentral für die gesamte Stadt steuern. Die Bezirke bleiben zwar zuständig für die Unterbringung, von der gesamtstädtischen Steuerung (kurz: GSTU) erhofft die Sozialverwaltung sich aber einheitliche Standards für die Unterkünfte, freie Plätze sollen dann etwa zentral zugewiesen werden.

Helfen soll eine IT-Plattform, die auch berücksichtige, ob Kinder und Jugendliche oder Haustiere mit untergebracht werden müssten. Damit sei auch die unabhängige Beschwerdestelle den Bewohner*innen aller Unterkünften zugänglich, so dass diese Missstände ansprechen und dadurch – so die Hoffnung – selbstbestimmter leben könnten.

Die Sprecherin für Sozialpolitik Fatoş Topaç und Stefan Ziller, Sprecher für Armutsbekämpfung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus begrüßten die Pläne der Senatorin und kündigten an, sie bei der Umsetzung zu unterstützen.

Breitenbach lobte die [2][Solidarität] in der Stadt und betonte, dass sie sich dem EU-Beschluss, Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen, verpflichtet sehe. „Das finden wir wichtig und notwendig“, sagte sie. Dazu brauche es mehr bezahlbaren Wohnraum und den Ausbau vorhandener Strukturen, so wie etwa des [3][Housing-First]-Modellprojekts.

22 Dec 2020

LINKS

[1] /Hilfsangebote-fuer-Obdachlose-in-Berlin/!5715320
[2] /Kaeltehilfe-in-Berlin/!5635050
[3] /Hilfe-fuer-Obdachlose/!5695747

AUTOREN

Uta Schleiermacher

TAGS

Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Wohnungslose
Obdachlosigkeit
Wohnungslosigkeit
Kältehilfe
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
IG
Obdachlosigkeit
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Wohnungslose

ARTIKEL ZUM THEMA

Spezialausrüstung für Obdachlose: Gefährlicher als ein Outdoor-Ausflug

Nun gibt es Rucksäcke speziell für obdachlose Menschen. Das ist gut gemeint – aber wollen wir uns wirklich an Wohnungsnot gewöhnen?

Lost im Hostel

Private Hostelbesitzer verdienen sich goldene Nasen an Wohnungslosen, weil es nicht genug Wohnheimplätze gibt. Drei Bezirke überlegen nun, Pleite-Hostels für Wohnungslose zu kaufen

Obdachlosencamp geräumt: Nächtliche Hauruckaktion

Das Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht wird mit Polizei und Baggern geräumt. Kritik von den Grünen. Sympathisanten demonstrieren.

Sheltersuits in Berlin: Ein Overall für Obdachlose

Die Caritas verteilt 80 spendenfinanzierte Schutzanzüge in Berlin. In ihnen können Menschen auf der Straße warm und trocken leben.

Obdachlosigkeit im Winter: Gegen das Sterben auf der Straße

Tausende in Deutschland frieren auf der Straße, dabei gibt es leere Betten en masse. „Öffnet jetzt die Hotels für Obdachlose!“ fordert nun eine Petition.

Aktion für Obdachlose in Berlin: Ein gedeckter Tisch

In Kreuzberg ist ein weihnachtlicher Treffpunkt für obdachlose Menschen entstanden. Die Initiative hofft, dass der Bezirk sie weiter gewähren lässt.

Obdachlosigkeit in Berlin: Tiersorge ist auch Selbstfürsorge

Jeanette Klemmt versorgt Tiere von wohnungslosen Menschen. Wer einen Termin möchte, muss aber bereit sein, auch für sich selbst Hilfe anzunehmen.

Kältehilfe in Pandemiezeiten: Corona lässt frösteln

Die Pandemie erschwert die Bedingungen in der Kältehilfe: Die Zahl der Schlafplätze ist dabei weniger das Problem als fehlende Angebote tagsüber.