taz.de -- rbb-Podcast „Wer hat Burak erschossen?“: Langzeitrecherche zu rechtem Terror
2012 wurde Burak Bektaş in Neukölln erschossen. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Ein zehnteiliger Podcast zeichnet den Fall nach.
Der in Neukölln geborene und aufgewachsene [1][Burak Bektaş] wurde in der Nacht auf den 25. April 2012 von einem Unbekannten erschossen. Der Täter trug Kapuze und kam aus dem Nichts, während Bektaş mit seinen Freunden auf dem Weg zum Nachtbus war. Er schoss auf die fünf Jugendlichen: Bektaş stirbt, zwei seiner Freunde überleben schwerverletzt. Bis heute ist der Mord unaufgeklärt.
Für die seit 2014 andauernde Langzeitrecherche dazu ist ein Podcast das richtige Medium. Denn jede der zehn Folgen der [2][Podcast-Serie „Wer hat Burak erschossen?“] von Philip Meinhold schafft eine anderweitig wohl nur schwer erreichbare Tiefe.
Die Ermittler:innen schlossen, wie bei dem sechs Monate zuvor aufgeflogenen NSU, lange ein rassistisches Tatmotiv aus. Dabei, so dröselt es der Podcast auf, spricht vieles dafür. Er zeigt Ermittlungsversäumnisse und Sackgassen auf. Vieles spitzt sich auf Querverbindungen zu einem anderen rassistischen Mordfall, dem von Luke Holland, zu, bei dem der Täter Rolf Z. mittlerweile verurteilt ist. Erstmals kommt der ermittelnde Staatsanwalt zu Wort, der mit Amtskühle behauptet, Ermittlungen entlang eines rassistischen Tatmotivs wären ebenso wenig erfolgreich gewesen, nur noch der Täter könne die Tat mittlerweile aufklären.
Durch eine ausgewogene und einfühlsame Erzählweise und durch die O-Töne der Familie und Freund:innen des damals 22-Jährigen wird deutlich, wie furchtbar diese Ungewissheit für die Hinterbliebenen ist. Man merkt, wie tief der Einschnitt für Bektaş’ Mutter ist, wenn sie im seit damals unveränderten Jugendzimmer mit den Tränen kämpft und sagt, dass sie eigentlich nur noch im Notfall das Haus verlässt, solange sie nicht weiß, wer ihren Sohn ermordet hat. Was, wenn der Täter neben ihr an der Supermarktkasse steht?
Das Neue an der bereits 2015 ausgestrahlten und jetzt aktualisierten Podcast-Serie ist auch die zunehmende Alltäglichkeit rechten Terrors im Süden Neuköllns, einem Bezirk, den Neonazis seit 2011 mit Anschlagsserien terrorisieren. Und so läuft es einem kalt den Nacken runter, wenn es heißt, dass 2018 die in Erinnerung an Bektaş eingeweihte Bronzeplastik nur wenige Tage nach der [3][Einweihung mit einer Chemikalie übergossen] wurde.
7 Dec 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Vor zehn Jahren, am 5. April 2012, wurde Burak Bektaş in Neukölln erschossen. Ein Täter wurde bis heute nicht ermittelt.
Beim Sender RBB fallen diese Woche Sendungen aus, weil freie Beschäftigte die Arbeit niederlegen. Sie fordern „Bestandsschutz“.
In Hildesheim hat der Prozess gegen einen 22-Jährigen begonnen. Er soll aus rechtsradikaler Überzeugung einen Anschlag auf Muslime geplant haben.
Vor einem Jahr forderten die Opfer im Neukölln-Komplex mit 25.000 Unterschriften einen Untersuchungsausschuss. Ihr Anliegen ist aktueller denn je.
Ein Polizist, der zu rechten Anschlägen ermittelte, beging mutmaßlich einen rassistischen Übergriff. Das traumatisierte Opfer wird abgeschoben.
Zwei Staatsanwälte sind wegen Befangenheit versetzt worden. Nötig sind unabhängige Ermittlungsinstanzen, die Rassismus in Behörden untersuchen.