taz.de -- Großbritanniens Verteidigungspolitik: Nach dem Brexit

Ja, man darf hinterfragen, ob mehr Projektion militärischer Macht richtig ist. Aber immerhin macht sich die britische Regierung Gedanken.
Bild: Boris Johnson beim Besuch britischer Truppen in Estland im Dezember 2019

Großbritannien braucht eine neue Außenpolitik. Der Brexit, der Aufstieg Chinas und das parallele Verblassen der USA – all das wirbelt die bisherigen Rahmenbedingungen durcheinander. Es ist also kein Zufall, dass Premierminister Boris Johnson seine bisher inhaltsreichste Grundsatzerklärung dazu kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU, kurz nach Joe Bidens Wahlsieg in den USA und kurz vor der britischen Übernahme der G7-Präsidentschaft abgegeben hat.

Ein „Ende der Ära des Rückzugs“ verspricht der Premier, und Oppositionsführer Keir Starmer pflichtet ihm bei: „Großbritannien muss globale Führung ausüben.“ Schon wieder parteiübergreifender Konsens – nur einen Tag nach Vorstellung [1][eines ambitionierten Programms zur grünen Modernisierung], das ebenfalls auf breite Zustimmung stieß. Beide versprechen nebenbei erhebliche Investitionen und neue Arbeitspätze im Land selbst.

Die Erhöhung der britischen Militärausgaben um 24,1 Milliarden Pfund (27 Milliarden Euro) über vier Jahre – dreimal so viel wie im Wahlprogramm 2019 versprochen – ist dabei der spektakulärste Schritt. London will damit auf Dauer der stärkste Nato-Partner der USA bleiben – ein Rang, den Frankreich ihm gerne streitig machen würde. Ebenso will Großbritannien Europas Marinemacht Nummer eins sein, mit globaler Präsenz ab 2023. Und wie auch sonst in Johnsons Programmatik eines „Global Britain“ geht es um technologische Innovation: „Das Rennen machen die Schnellsten und Agilsten, nicht notwendigerweise die Größten.“

Wie immer bleibt abzuwarten, ob aus Rhetorik auch Realität wird, und man darf hinterfragen, ob mehr Projektion militärischer Macht quer über die Welt richtig ist. Aber man kann der britischen Regierung nicht vorwerfen, dass sie sich keine Gedanken machen würde. Europa, vor allem Deutschland, tut sich da viel schwerer. Wenn Johnson zeigen will, dass Großbritanniens Politik ohne EU „schneller und agiler“ wird, ist das mit den beiden Ankündigungen in den Bereichen Ökologie und Militär geglückt.

20 Nov 2020

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Dominic Johnson

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