taz.de -- Tatort aus Wiesbaden: Monsieur Murot macht Ferien
Die Fälle des Kommissar Felix Murot sind immer irgendwie außergewöhnlich. Diesen Sonntag macht er Urlaub und sein Doppelgänger gleich mit.
Die „Tatort“-Krimis mit Ulrich Tukur – das hier ist der neunte im zehnten Jahr – müssen [1][außergewöhnlich sein], ja auf Teufel komm raus [2][aus dem Rahmen fallen]. Immer muss der Hessische Rundfunk [3][eine Schippe drauflegen]. Das gelingt meist, und in Streifen wie „Im Schmerz geboren“ (2014) – der „Tatort“ mit den meisten Toten ever, rund 50 – grandios. Doch jetzt macht dem Namen der „Tatort“-Folge nach Felix Murot bloß Ferien.
Der LKA-Ermittler fährt aber nicht gen Italien, er bleibt in der Heimat und schickt seiner Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) in Frankfurt am Main eine Postkarte mit „schönen Grüßen aus dem Taunus“. Der Streifen wurde schon im Frühsommer letzten Jahres abgedreht, also ganz ohne Corona. Vielleicht wirkt er deshalb so leicht und irgendwie entrückt. Der Erzählduktus ist, nun ja, gediegen. Das ist nicht uncharmant, aber das Schnelle gewohnte Auge muss sich erst einmal umstellen. Man muss sich eingrooven. Wer das schafft, sollte Spaß an diesem „Tatort“ haben. Alle anderen dürften ihn langweilig finden.
Murot trägt auch im Urlaub Sakko und Leinenhemd, trinkt Wein, raucht Zigaretten, fährt seinen Oldtimer (und Rad), verschickt Postkarten, telefoniert nur Festnetz (und die Musikauswahl ist diesmal wirklich exzellent). Ein Mann, wie aus der Zeit gefallen. Fehlt nur noch eine Hollywoodschaukel. Die aber wippt sich auch bald ins Bild. Aber was ist mit dem Kriminalfall? Upps!, der ergibt sich nach zu viel Weiß- und Rotwein.
Und das kommt so: Murot kriegt im Restaurant eine Schweinshaxe serviert. Die hat er nicht bestellt! Sondern ein Typ namens Walter, der einen Tisch weiter sitzt und genauso aussieht wie Murot. Ulrich Tukur in einer Doppelrolle, das hat, so viel sei verraten, lustige Momente, weil der Bildungsbürger und Schöngeist Murot auf einen aalglatten Gebrauchtwarenhändler von Oldtimern (!) trifft. Im Wein vereint, tauschen die beiden ihre Rollen, mit weitreichenden Konsequenzen. Das ist immer mal wieder viel zu erwartbar, dann aber auch unerwartet erzählt und unterhaltsam.
Sagen wir mal so: Wer das Digitale verschmäht, das Analoge vorzieht, wer lieber Pastellfarben statt greller Töne bevorzugt, wird das mögen. Eine hübsche filmische Verneigung vor Jacques Tati und seinen zivilisationskritischen wie subtilen Komödien, die vor allem auf visuellem Humor basierten. Was Tukur mit Tati verbindet, hat er laut Pressematerial so beschrieben: „Die Abneigung gegen die sinnlosen Umtriebe der Moderne.“
22 Nov 2020
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