taz.de -- Gegen den Ausbau der A49: Abseilen für den Dannenröder Forst
Wieder seilen sich Aktivist:innen von Autobahnbrücken ab. Zuletzt kam es bei einer ähnlichen Aktion zu einem schweren Unfall.
Frankfurt am Main taz | „Dadurch, dass wir hängen, erzeugen wir einen künstlichen Stau und Aufmerksamkeit.“ Mit diesen Worten begründete am Montag eine der Aktivist:innen ihre Aktion, die zu einer massiven Behinderung des Berufsverkehrs im Rhein-Main-Gebiet führte.
Zeitgleich hatten sich am frühen Montagmorgen Klimaschützer:innen von drei Autobahnbrücken abgeseilt, aus Protest gegen den geplanten Weiterbau der A49 zwischen Gießen und Kassel und die laufenden Rodungen im Herrenwald und Dannenröder Forst. Betroffen von den Aktionen waren die A3 am Wiesbadener Kreuz, die A661 bei Offenbach und die A5 nahe dem Frankfurter Flughafen. Aus Sicherheitsgründen hatte die Polizei die betroffenen Autobahnabschnitte vorübergehend gesperrt, bis Einsatzkräfte die Aktivistinnen bergen konnten. Es bildeten sich lange Rückstaus, die sich zum Teil erst gegen Mittag wieder auflösten.
„Wald statt Asphalt – Verkehrswende jetzt!“ und „no plans – no cars“ war auf den Bannern an den betroffenen Autobahnbrücken zu lesen. Einer der Aktivisten wandte sich per Twitter an die „lieben Autofahrenden“: „Ihr steht nicht im Stau, ihr seid der Stau!“ Der Zorn der A49-Ausbaugegner richtet sich auch gegen die hessischen Grünen, die mit Tarek Al-Wazir den Verkehrsminister stellen. Neben seinem Konterfei stand auf einem der am Brückengeländer aufgespannten Tücher: „Wer hat uns verraten – grüne Bürokraten!“
Auf einer virtuellen Landesmitgliederversammlung der Grünen hatte Al-Wazir am Sonntag seinen Kurs verteidigt: „Ich ärgere mich darüber, dass ich eine Autobahn fertigbauen muss, die ich selbst nie wollte“, sagte Al-Wazir, der stets mit der Rechtslage argumentiert. [1][Der Weiterbau sei nur mit neuen Mehrheiten im Deutschen Bundestag zu verhindern, sagte er.] Ein Antrag, notfalls aus der Regierung in Hessen auszusteigen, wenn der Koalitionspartner CDU auf dem Weiterbau der A49 bestehe, fand keine Mehrheit. Greenpeace hatte ein Gutachten vorgelegt mit dem Ergebnis, dass die hessische Landesregierung wegen wasserrechtlicher Streitfragen den Weiterbau stoppen könnte.
Harsche Kritik ab Abseilaktion
Noch während die Aktionen liefen, meldeten sich Ausbaubefürworter zu Wort. Der Geschäftsführer des hessischen Industrie- und Handelskammertags HIHK, Robert Lippmann, forderte ein Ende der Autobahnblockaden. Er sagte: „Wir sehen mit Sorge, dass der Protest zunehmend in weitere Teile der Wirtschaft und des Verkehrs eingreift.“
Hessens Innenminister Peter Beuth warf den AktivistInnen eine „radikale Gesinnung“ vor: „Das hat nichts mit Umweltschutz zu tun, das sind Aktionen, die außerhalb des demokratischen Konsens stattfinden und eindeutige Straftatbestände erfüllen.“ Die CDU-Landtagsfraktionschefin, Ines Claus, erinnerte an den [2][Verkehrsunfall, der sich vor zwei Wochen nach einer ähnlichen Aktion am Stauende auf der A3 ereignet hatte], als ein 29-jähriger Mann verletzt worden war. [3][Aus diesem Unfall hätten die UmweltaktivistInnen nichts gelernt, schrieb Claus auf Twitter.]
Der verkehrspolitische Sprecher der SPD im Landtag, Marius Weiß, kommentierte: „Wenn das jetzt ein neuer Volkssport wird, sollten wir schauen, ob die bisherigen Strafen für so einen gefährlichen Irrsinn ausreichen.“
26 Oct 2020
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