taz.de -- Die Wahrheit: Führerinnen im Duell

Neues aus Neuseeland: Im Wahlkampf um den Posten der Regierungschefin prallen derzeit J&J aufeinander – Jacinda und Judith.
Bild: Neuseelands neue Außenministerin Nanaia Mahuta kurz nach ihrer Berufung am Montag in Wellington

Noch zwei Mal schlafen! Dann kommt noch nicht das Christkind, aber hoffentlich eine irdische Heilsbringerin zurück: Am Samstag ist Wahltag, wegen Lockdown um einen Monat verschoben. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, denn wir sind ja nicht die USA, bezieht Jacinda Ardern ein zweites Mal ihren Regierungsposten im Beehive. Der Bienenstock ist unser Pendant zum Weißen Haus.

Was wir allerdings mit dem Kampf der amerikanischen Giganten gemein haben, sind die krassesten TV-Duelle seit „Game of Thrones“, nur mit vertauschten Geschlechtern. Aderns Kontrahentin ist Judith Collins von der Nationalpartei, eine Eiserne Lady mit Dominatrix-Ausstrahlung. Ihre hochgezogenen Augenbrauenzinken bescheren Karikaturisten und Meme-Bastlern viel Arbeit.

Dabei braucht es gar keine spitzen Federn, denn die beiden Topfrauen wirkten wie ihre eigenen Karikaturen, als sie aufeinander losgingen. Zuerst attackierte Collins die Jüngere als „Miss Ardern“ – der Fräulein-Seitenhieb als Hinweis, dass die Landes- und Babymutter unverheiratet ist. Für Kiwis sind sie jedoch nur „Judith“ und „Jacinda“, kurz J & J.

In der ersten Debatte stand die sichtlich vom Wahlkampf entkräftete Jacinda auch optisch im Schatten. Die Kameras hatten Judith im Blick, die feixte und verbal boxte, was das Zeug hielt: 1:0! Punktabzug gibt es dafür, dass sie Trump für einen netten Präsidenten hält. Und sich, bevor sie wählen ging, in einer leeren Kirche inszeniert beim Beten fotografieren ließ.

Die zweite Debatte gab uns Hoffnung, dass die heilige Jacinda der bissigen Judith doch nicht zum Opfer fällt. Die Premierministerin hatte inzwischen an ihrer Gestik gefeilt und wedelte mit den Händen herum, als ob sie Luftgitarre spiele, während Judith sich stoisch am Pult festhielt. Ihren Starmoment hatte die Konservative, als es um die Legalisierung von Cannabis ging. Ardern hatte bereits zugegeben, „vor langer Zeit“ mal gekifft zu haben.

Collins wollte wissen, wie Ardern im anstehenden Cannabisreferendum entschieden habe. Denn die Wahllokale sind bereits seit zwei Wochen offen. Noch nie wurden vorab so viele Kreuzchen gemacht wie in diesem Wahlkampf. „Answer! Answer! How did you vote? Beantworten Sie die Frage! Yes or no?“, bellte Collins in den Ring. Dafür konnte Ardern mit ihrem Elektroauto punkten, während Collins eine ganze Flotte schwerer Schlitten fährt.

Sie und ihr Mann sind stolze Autosammler. Er ist Samoaner, was sie auch prompt mit einem „talofa!“ (Guten Tag) einbrachte, um zu betonen, sie kenne sich mit den Problemen sozial schwacher Insulaner aus. Ihre Luxuskarossen sprechen eine andere Sprache.

Dann kam die knallharte Preisfrage des Abends: Was kostet ein Liter Milch? Beide Frauen lagen daneben. „Wir hatten in den letzten Wochen wenig Zeit zum Einkaufen“, so die Oppositionsführerin spitz. Die hat sie dann nach der Wahl, falls das Beten nicht half.

15 Oct 2020

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Anke Richter

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