taz.de -- Kommunikation über die Klimakrise: „Früher war alles immer Wetter“
Wie in den Medien über die Klimakrise kommuniziert werde, hat sich insgesamt verbessert. Doch es fehlten wichtige Aspekte.
Wer einen sozialökologischen Wandel will, muss über das Klima reden können. Wir haben eine Klimawissenschaftlerin und eine Psychologin gefragt, welche Strategien hilfreich sind, welche Themen fehlen und wie sich die Klimakommunikation verändert hat.
„Die Klimakrise ist eine soziale Krise“
Die Menschheit wird nicht aussterben. Das wirkliche Problem der Klimakrise ist die Verschärfung von sozialen Ungleichheiten. Bei einem Grad Erhitzung haben wir jetzt schon große Probleme. Deshalb ist das eine echte Krise und darum müssen wir sie so behandeln. Es ist nicht, weil die Welt untergeht. Die Klimakrise ist eine soziale Krise, das fehlt mir in den Medien.
Trotzdem finde ich, dass sich die Berichterstattung in Print und Online enorm verbessert hat. Es wurde früher überhaupt nie über die Klimakrise gesprochen. Alles war immer Wetter und hatte nichts mit dem Klima zu tun. Das hat sich sehr dramatisch verändert.
Jetzt wird die Frage gestellt, ob und auf welche Art Katastrophen wie die Feuer in Australien etwas mit der Klimakrise zu tun haben. Das ist ein erster wichtiger Schritt.
Mich stimmt optimistisch, dass die Klimakrise „Krise“ genannt wird. Außerdem muss heutzutage jedes Unternehmen, jede politische Partei einen Standpunkt zu ihr haben.
Ja, die Standpunkte sind in vielen Unternehmen und Parteien ziemlich unsinnig. Aber immerhin geht es nicht, dass sie gar keine Meinung dazu haben. Niemand kommt mehr um die Klimakrise drum rum. Protokoll: Jakob Lochner
Friederike Otto ist Physikerin, Philosophin und Klimawissenschaftlerin.
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„Schuld, Wut und Angst sind aktivierende Emotionen“
Ich behaupte: Rein rationale Wissenschaftskommunikation funktioniert nicht. Menschen sind nun mal emotionale Wesen. Das ist aber nicht schlimm, denn Emotionen sind Bedürfnisanzeiger und liefern die Handlungsenergie, um uns um diese Bedürfnisse zu kümmern.
In der Klimakommunikation können wir versuchen, bestimmte Emotionen eher auszulösen als andere. Trauer zum Beispiel ist eine sehr häufig in Bezug auf die Klimakrise empfundene Emotion. Doch wenn wir traurig sind, ziehen wir uns zurück und wollen am liebsten im Bett liegen und weinen. Es handelt sich um eine inaktivierende Emotion.
Aktivierende Emotionen sind Schuld, Wut oder Angst. Manche Menschen werden sehr davon motiviert, dass sie Katastrophenmeldungen sehen und denken: Das will ich nicht. Wenn wir also ehrlich kommunizieren, wie schlimm es schon ist, wird die Dringlichkeit der Klimakrise klar. Das halten die Menschen aber nur aus, wenn sie eine Perspektive haben. Deshalb sind auch positive Emotionen, wie Hoffnung und Zuversicht hilfreich: Sie verhindern, dass die Menschen in die Verdrängung gehen.
Um ihre Handlungsenergie dann in eine Richtung leiten zu können, brauchen sie eine Vorstellung davon, wo wir hin wollen. Diese Vision nicht mitzukommunizieren, ist ein bisschen so, wie in ein Taxi zu steigen und zu sagen: „Fahren Sie mich nicht zum Hauptbahnhof.“ Dann weiß der Taxifahrer leider immer noch nicht, wo er hinfahren soll. Protokoll: Anna Wolf
Katharina van Bronswijk ist Sprecherin der Psychologists/Psychotherapists for Future.
26 Sep 2020
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