taz.de -- Homeoffice in der Berliner Verwaltung: Kommando Schlepptop

Viele Senatsverwaltungen hatten im März zu wenig Rechner, um MitarbeiterInnen ins Homeoffice zu schicken. Nicht überall hat sich die Lage verbessert.
Bild: Multitasking im Homeoffice: Mit Laptop und Wäscheleine

Berlin taz | Farbig aufgepeppte Möbel statt Verwaltungsgrau; Sitzecken zum Lümmeln und Laptops für alle statt normierter Arbeitsplätze mit Riesenbildschirm; Großraumbüro statt Einzelzelle: So in etwa sähe das Büro der Zukunft für die MitarbeiterInnen der Senatsverwaltungen aus, das Finanzsenator Mathias Kollatz (SPD) Ende Januar der Presse vorstellte. Es sollte ein Pilotprojekt werden.

Fünf Wochen später kam Corona, und die Arbeitsumgebung mit Zukunft war plötzlich eine ganz andere – zu Hause am Esstisch zum Beispiel. Im Sinne des Infektionsschutzes lautete die Devise ab Mitte März: [1][Homeoffice für möglichst viele MitarbeiterInnen]. Doch die meisten Senatsverwaltungen wurden davon kalt erwischt, wie aus einer jüngst veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage des linken Abgeordneten Tobias Schulze hervorgeht.

Ganz gut sah es da noch bei der Senatsverwaltung für Finanzen aus: Auf rund 680 Beschäftigen in der direkten Verwaltung kamen Anfang März 329 mobile Arbeitsplätze. Allerdings drückten die Finanzämter die gute Quote: Dort arbeiten mehr als 6.500 Menschen, aber nur 800 mobile Arbeitsplätze standen zur Verfügung.

Auch im direkten Verantwortungsbereich des Regierenden Bürgermeisters hatte die Zukunft schon vor den Herausforderungen der Pandemie begonnen. Der Michael Müller (SPD) zugeordnete Bereich Wissenschaft und Forschung verfügte im März über 132 Mobil- und Heimarbeitsplätze und war damit voll ausgestattet; in der Senatskanzlei waren es immerhin 132 für 275 MitarbeiterInnen – knapp die Hälfte.

Nur acht Mobilarbeitsplätze

Ganz anders sah die Lage aus bei der Justizverwaltung, die lediglich acht Mobilarbeitsplätze zählte; allein die eigentliche Senatsverwaltung beschäftigte damals 420 MitarbeiterInnen. Dazu kommen die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Knäste, was die Zahl auf fast 10.000 MitarbeiterInnen steigen lässt.

Bescheiden waren die Möglichkeiten, sich vor Corona ins Heimoffice zu flüchten, auch in den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr oder Bildung.

„Die Pandemie hat uns damals sehr, sehr unvorbereitet getroffen“, bilanziert Tobias Schulze, Sprecher der Linksfraktion für Netzpolitik und Digitalisierung. Ihn hätten in der Hochphase der Pandemie viele Beschwerden von Mitarbeitenden über fehlende Laptops erreicht. Mehrere Verwaltungen mussten in der Not auf private Geräte der Mitarbeitenden zurückgreifen.

So war es zum Beispiel PolizistInnen vom 20. März bis 19. April gestattet, „private, nichtdienstliche Geräte“ zu nutzen. In einigen Verwaltungen wurden sogar private E-Mail-Adressen für die Arbeit verwendet. „Der Gebrauch von privaten Rechner war als Kompromiss damals vertretbar“, sagt Schulze heute. Es sei aber keine Dauerlösung.

Inzwischen sind laut dem linken Abgeordneten „relevante Fortschritte“ erzielt worden: So wurde eine aufwendige Struktur mit 12.500 sogenannten VPN-Tunneln aufgebaut für den sicheren Zugang von außen ins Netzwerk der Verwaltungen. Die Lieferengpässe bei Laptops jener Zeit seien überwunden, die Bestellungen abgearbeitet.

Tatsächlich haben Mitte August zum Beispiel in der Senatskanzlei knapp zwei Drittel der Mitarbeitenden mobile Arbeitsplätze. In der Finanzverwaltung hat sich die Zahl derer, die „mobil ausgestattet sind“, seit Mitte März verdoppelt. „Für mindestens 80 Prozent der Dienstkräfte wurde ein Telearbeitsplatz bereitgestellt“, teilte ein Sprecher der Finanzverwaltung auf taz-Anfrage mit. Auch andere Verwaltungen konnten die Zahl der externen Zugangsmöglichkeiten deutlich hochfahren.

Die Bildungsverwaltung hingegen gilt weiterhin als eines der digitalen Sorgenkinder. Zwar sind im ministeriellen Bereich der Bildungsverwaltung „rund ein Viertel aller Arbeitsplätze“ mit mobilen Endgeräten ausgestattet, wie Sprecher Martin Klesmann auf taz-Anfrage erklärt. Laut der Antwort auf die Kleine Anfrage sei die Nachfrage nach Telearbeit aber „stark steigend“.

Es fehlten allein in der Bildungsverwaltung rund 1.500 Notebooks für eine „auskömmliche Ausstattung“ im Falle einer erneuten Homeoffice-Phase. Weitere Geräte zu bekommen sei jedoch auch aktuell eine Herausforderung, berichtet Klesmann: „Gemäß Aufforderung waren Notebook-Bestellungen bisher nur mit personengebundenem Bedarfsnachweis möglich.“ Zudem bestünden weiterhin „Lieferzeiten zwischen 8 und 13 Wochen“.

Gänzlich unverändert ist zudem die Lage der LehrerInnen. „Die technische Ausstattung der Lehrkräfte wurde im Zuge der Pandemie nicht verbessert“, heißt es in der Antwort. Ein Konzept, wie die für LehrerInnen, pädagogisches Personal sowie die SchülerInnen benötigten exakt 365.225 mobilen Endgeräte beschafft werden sollen, „befinde sich in der Abstimmung“. Laut Klesmann laufen dazu Absprachen: „Hierzu soll es ja Bundesprogramme geben, die die Länder kofinanzieren.“

Die Lage bleibt kritisch

Und auch anderswo bleibt die Situation verbesserungswürdig: Mehrere Verwaltungen teilten in der Antwort auf die Linken-Anfrage mit, dass der zusätzliche Bedarf an Computern weiterhin groß sei – in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beträgt er danach 350 mobile Geräte – und oft nur durch die weitere Nutzung privater Geräte gedeckt werden könne.

Sehr kritisch bleibt die Lage auch in der Justizverwaltung. Bis August sei die Zahl der externen Zugriffe auf Arbeitsplätze auf lediglich 12 gestiegen. Für eine auskömmliche Ausstattung brauche es aber 300 Endgeräte.

Langfristig strebt der Senat an, alle Arbeitsplätze homeofficefähig zu machen. Um diese „One Device“-Strategie umzusetzen, sollen Laptops angeschafft werden, die dann im Büro mittels einer Docking-Station an einen großen Bildschirm angeschlossen werden können. Jedes Jahr, so die Antwort auf die Anfrage, sollen ein Fünftel aller Rechner damit ersetzt und so mobil werden – wo das nötig ist.

Tobias Schulze geht derweil davon aus, dass bei einer zweiten Welle nicht mehr so viele MitarbeiterInnen wie möglich überstürzt ins Homeoffice geschickt würden. „Wir haben jetzt Hygienepläne aufgestellt und viele Erfahrungen gesammelt.“ Aber die Aufgabe, die Verwaltung für Krisen aufzustellen, bleibe erhalten.

„Es kann jederzeit passieren, dass Mitarbeiter zu Hause bleiben müssen.“ Um die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, wollen die rot-rot-grünen Netz-PolitikerInnen sich dafür einsetzen, dass im dritten Nachtragshaushalt ein „niedriger Millionenbetrag“ bereitgestellt wird.

7 Sep 2020

LINKS

[1] /Geschlechterrollen-in-Corona-Zeiten/!5704068

AUTOREN

Bert Schulz

TAGS

Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Coronavirus
Homeoffice
Berlin
Arbeit
Steuern
Schwerpunkt Coronavirus
Schule
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Urteil zu Steuerzinsen: Schlechter Zeitpunkt für Scholz

Der Staat kassiert zu hohe Zinsen auf fällige Steuern, sagt Karlsruhe. Das war erwartbar – gehandelt hatte das Finanzministerium nicht.

Finanzcasino aufgrund von Corona: Wenn Büros leer stehen

Dank Corona kommt das Homeoffice in Mode. Städter können aufs Land ziehen, Firmen ihre Büros verkleinern. Bei Immobilienfonds ändert sich alles.

Digitalisierung in der Schule: Laptops ins Lehrerzimmer!

Eine halbe Milliarde für Lehrer-Laptops! Klingt gewaltig, ist aber nur ein Anfang: Fürs digitale Lernen muss auch umgebaut und fortgebildet werden.

Weniger Treibhausgase durch Homeoffice: Lockdown nutzt dem Klima

Telearbeit schützt das Klima und entlastet den Verkehr. Umweltschützer setzen sich für ein Recht auf Homeoffice ein.

Geschlechterrollen in Corona-Zeiten: In der Homeoffice-Falle

Sind Frauen die Verliererinnen der Coronakrise? Droht der Rückfall in alte Geschlechterrollen? Neue Studien zeigen ein differenziertes Bild.