taz.de -- Bayern München vor dem CL-Halbfinale: Der Hansi regt sich nicht auf
Nicht erst das 8:2 gegen Barcelona zeigt: Bayerns neuer Coach Hansi Flick hat das Zeug, das Triple zu holen. Zugetraut hat ihm das keiner.
Es war im vergangenen Herbst, Hansi Flick, gerade befördert zum Interimscheftrainer des FC Bayern, saß wieder einmal in der Geschäftsstelle. Dort fand man, es sei an der Zeit, dass aus dem Hansi nun endlich der Hans-Dieter wird, so wie Flick richtig heißt. Denn die Verniedlichung dieses Vornamens, eigentlich eher für kleine Jungen und Kanarienvögel gedacht, könnte dem entgegenstehen, was der neue Chef ausstrahlen soll. Flick verstand das Ansinnen jedoch nicht. Er sei schon immer der Hansi gewesen und werde das auch bleiben.
Diese Episode sagt viel aus über Flicks Persönlichkeit. Als Hansi ist er drauf und dran, das Triple zu holen – mit Erfolg im Halbfinale am Mittwoch gegen Olympique Lyon und dann im Finale gegen Paris St. Germain oder den Ligakonkurrenten RB Leipzig. Dass die Münchner [1][nach diesem 8:2 gegen den ehemals großen FC Barcelona] zum Top-Top-Top-Favoriten ausgerufen wurden, interessiert Flick nicht. Ebenso wenig, dass dieser Sieg epochal war. „Ein 3:1“, sagte er, „wäre auch in den Geschichtsbüchern gelandet.“
Die Bayern hatten lange geglaubt, dass nur ein Toptrainer mit Ausstrahlung und einer Erfolgsvita den Rekordmeister an die Spitze Europas führen könnte. Aber Flick zeigt, dass es kein Manko sein muss, noch nie hauptverantwortlich ein Profiteam trainiert zu haben, dass es darauf ankommt, dass der Trainer erkennt, was er von der Mannschaft fordern kann.
Ein Stil aus perfektem Pressing und offensiver Wucht
Flicks Vorgänger und ehemaliger Chef, [2][Niko Kovac], glaubte im Februar 2019, das Beste für die Bayern gegen Liverpool ist einfach, schnöde zu verteidigen. Man könne nicht versuchen, „200 Stundenkilometer auf der Autobahn zu fahren, wenn man nur 100 schafft“, hatte er erklärt. Eineinhalb Jahre später überrollen die Münchner gefühlt mit mehr als 200 Sachen die einst beste Mannschaft der Welt und bringen den besten Fußballer der Welt, Lionel Messi, dazu, zu resignieren.
Sie haben einen Stil kreiert aus perfektem Pressing mit listigen Balldieben und einer Offensivwucht mit einem Mix aus Routine und jugendlichem Schwung, der ähnlich Nachahmer finden könnte wie vor ein paar Jahren der Ballbesitzfußball von Guardiola. In der Summe, fand Thomas Müller, „haben wir das gemacht, was wir machen wollen, und das kann man nicht sehr oft in Champions-League-Nächten sagen“.
Flick ist zwar noch immer Frischling als Bundesliga- und Champions-League-Trainer, aber dafür kennt er sich als ehemaliger Assistent von Joachim Löw bei der Nationalmannschaft mit surrealen Ergebnissen aus – dem [3][historischen 7:1] bei der WM 2014 über Brasilien. Das beste Mittel gegen die Gefahr, sich nun unantastbar zu fühlen, ist, Unaufgeregtheit vorzuleben. Und dafür gibt es keinen Geeigneteren als den unaufgeregten Hansi Flick.
16 Aug 2020
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