taz.de -- Kinder hungern wegen Corona: Menschenunrecht
Wenn die Wirtschaft in ärmeren Ländern wegen der Corona-Pandemie einbricht, leiden Kinder am meisten. Dabei könnte man ihnen leicht helfen.
An Corona sterben vor allem ältere Menschen, heißt es. Doch das ist falsch: Die Opfer der indirekten Folgen der Pandemie sind vor allem Kinder. Würden sie ebenso gezählt und in täglichen Statistiken dauerpubliziert werden wie die an Covid-19 Verstorbenen, die Industrieländer würden auf die Pandemie anders reagieren. Sie würden ihre Hilfspakete anders schnüren, wir alle würden unser Aufregungsbudget anders einteilen.
Das Problem kurz umrissen: Wenn die Wirtschaft einbricht, fehlt es armen Menschen in Entwicklungsländern schnell am Lebensnotwendigen. Hinzu kommen die Einschränkungen der Pandemie, Ärzte sind nicht mehr vor Ort, [1][Impfprogramme gegen Masern], Hepatitis, Typhus und andere Krankheiten bleiben aus. In Entwicklungsländern leben besonders viele junge, mangelernährte Menschen, für sie ist nicht Covid-19 eine tödliche Gefahr, sondern Durchfall. Wie viele indirekte Opfer die Pandemie fordern wird? Die Hochrechnungen schwanken. Mindestens 111.000 Kinder, es könnten auch viel mehr sein. Hinzu kommen die, die [2][wegen Mangelernährung] in der kommenden Zeit ihr Leben lang gezeichnet sein werden.
Es ist noch nicht einmal platt, zur EU zu sagen: Für eure Wirtschaft habt ihr Billionen – und die Armen lasst ihr sterben. Deutschland hat drei Milliarden Euro für Entwicklungsländer eingeplant, IWF und G20 ein Schuldenmoratorium für arme Länder – das war es dann. Geradezu lächerlich im Vergleich zu dem Leid, das dort droht; eine Schande. Mit Geld allein ist es ohnehin nicht getan: In den Ländern fehlt es an medizinischer Schutzausrüstung, an Personal, Logistik.
Die Entwicklungsagentur UNDP schlug kürzlich vor, ein [3][temporäres Grundeinkommen] für 2,7 Milliarden Menschen einzuführen. Kostenpunkt wären 170 Milliarden Euro im Monat. Die würden unmittelbar in den Konsum fließen und die Weltwirtschaft ankurbeln: Es gibt absolut keinen Grund, nicht mal einen ökonomischen, nicht zu derartigen Maßnahmen zu greifen. Außer vielleicht: Sind nur Menschen in Entwicklungsländern. Nicht sichtbar. Uninteressant.
28 Jul 2020
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