taz.de -- Kunstfestival in einem Schloss: Zärtliches Brandenburg

Raus zur Kunst: Am Samstag eröffnet die 25. Ausgabe des Kunstfestivals Rohkunstbau und lädt für drei Monate zur Landpartie ins Schloss Lieberose.
Bild: Jetzt im Sommer wirklich kunstvoll: Schloss Lieberose

Wer würde da nicht zumindest kurz ins Grübeln kommen? Ein ganzes Schloss für einen Euro! Schloss Lieberose wurde vergangenen Herbst zum symbolischen Schnäppchenpreis angeboten, losgeworden ist die Brandenburgische Schlössergesellschaft es offenbar dennoch nicht. Klar, so ein Schlossherr*innendasein mag in der Theorie romantisch klingen. In der Praxis macht es dann aber doch eine Menge Arbeit.

Schloss Lieberose, die ehemalige Residenz derer von der Schulenburg, hat eine wahrhaft wechselvolle Geschichte hinter sich: Seine Ursprünge reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück, heute wird es als eines der größten Barockschlösser Brandenburgs beworben.

Ausgebaut wurde es nämlich erst im 16. Jahrhundert unter der Federführung des markbrandenburgischen Adelsgeschlecht, Mitte des 17. Jahrhundert bei einem Stadtbrand stark beschädigt, dann wieder aufgebaut – samt irre prächtiger Stuckdecken, auf denen sich auch der Hausherr auf mannigfaltige, sehr barocke Weise verewigen ließ.

Das Schloss war Quartier des Landesherrn, des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen. 1945 stark beschädigt, später zum Teil abgerissen, dann doch wieder als Berufsschule mit angeschlossenem Internat, als Kino und Feriendomizil genutzt.

Seit der Wende – leer. Fast jedenfalls.

Im Sommer 2017 ist die Kunst zeitweilig eingezogen, als Sommergast sozusagen. Das Kunstfestival Rohkunstbau fand ab Juli 2017 erstmals auf Schloss Lieberose statt und brachte zeitgenössische, internationale Positionen in die halbverfallenen Hallen.

Die Idee von Rohkunstbau – sie stammt von dem Augenarzt Arvid Boellert – beruht auf genau dem: dem Zusammenspiel temporär genutzter Orte und Kunst. Entsprechend leitet sich der Name vom ersten Austragungsort des Festivals 1994 ab, einer Betonhalle in Groß Leuthen bei Lübben, 1989 errichtet, gedacht für die Arbeiterfestspiele der DDR und nie vollendet. Kunst im Rohbau – Rohkunstbau.

Es folgten zahlreiche Ortswechsel quer durch die Brandenburger Landschaft: Rohkunstbau wanderte vom Wasserschloss Groß Leuthen ins Schloss Sacrow, in die Villa Kellermann und das Schloss Marquardt nach Potsdam, ins Schloss Roskow und schließlich 2017 [1][ins Schloss Lieberose]. Das Festival hat sich über die Jahre etabliert, holte zahllose namhafte Künstler*innen an Bord, die oftmals ortsspezifisch arbeiteten und lockte damit das Publikum heraus aus Berlin. Rohkunstbau ist nämlich tatsächlich vor allem beliebt als Ausflugsziel für asphaltmüde Großstädter*innen, die dann aber doch eher auf Kultur als Natur fliegen, weniger bei den Brandenburger*innen aus dem direkten Umland, aus Lieberose beziehungsweise den angrenzenden Dörfern und Städten.

Gar nicht so um die Ecke

Dabei ist Lieberose von Berlin aus gar nicht mal so sehr um die Ecke. Etwa 30 Kilometer nördlich von Cottbus liegt es. Mit dem Fahrrad braucht man für die Strecke ab Berlin – ohne Pausen – gute fünf Stunden. Mit den Öffentlichen ist es fast genauso umständlich, der Bus von Cottbus tuckert über eine Stunde lang bis nach Lieberose.

Aber warum auch nicht? In diesem Sommer, in dem keine*r so richtig weiß, ob man denn nun wirklich in die Ferien fahren soll und man am Ende vermutlich doch einfach auf Balkonien bleibt, passt eine solche Landpartie eigentlich ziemlich hervorragend. Und wenn man schon mal da ist und doch auch ein bisschen Landschaft sehen möchte, bieten sich sogleich als Abstecher die Wälder drum herum an oder gar die Lieberoser Wüste, gelegen im Naturschutzgebiet der Lieberoser Endmuräne, mit rund fünf Quadratkilometern immerhin die größte Wüste Deutschlands.

Mit Dürre anderer Art hat auch das Festival Bekanntschaft machen müssen. 2019 zog sich die Böll-Stiftung als Träger des Rohkunstbaus zurück, das Festival musste infolge ausfallen. Nachgeholt werden sollte das große Jubiläum dann aufgerechnet jetzt, 2020. Lange schien es, als sei der Rohkunstbau vom Pech verfolgt und könnte, aus den bekannten Gründen, seinen 25. schon wieder nicht feiern.

Anfang Mai gab es dann die Entscheidung, doch ein Festival auf die Beine zu stellen, in Absprache mit den Künstler*innen. Bei jenen handelt es sich zum Jubiläum nur um solche, die bereits einmal mitgemacht haben. Christiane Möbus, Thomas Scheibitz oder Leiko Ikemura zum Beispiel, 20 an der Zahl. Einige sind trotz der kurzen Vorlaufzeit mit ganz neuen Arbeiten dabei.

Am Samstag wird die Ausstellung eröffnet, konzipiert und realisiert von Heike Fuhlbrügge, die damit den langjährigen Kurator Mark Gisbourne ablöst. „Zärtlichkeit“ lautet der diesjährige Titel. Die schadet ja eh nie und derzeit erst recht nicht, ob auf dem Land oder in der Stadt.

26 Jun 2020

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AUTOREN

Beate Scheder

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