taz.de -- Nach dem Tod von George Floyd: Weltweite Proteste gegen Rassismus

In den USA und zahlreichen anderen Ländern gehen Menschen auf die Straße, um ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt zu fordern.
Bild: Bürgermeisterin Muriel Bowser auf der neuen „Black lives Matter Plaza“ in Washington, D.C.

Die 16th Street NW, die in Washington auf das Weiße Haus zuläuft, hat einen neuen Namen: Ein Abschnitt heißt nun „Black Lives Matter Plaza“. Muriel Bowser, die schwarze Bürgermeisterin der US-Bundeshauptstadt, ließ die Parole am Freitag in riesigen gelben Lettern auf den Asphalt pinseln. Am Samstag versammelte sich dort eine gewaltige Schar DemonstrantInnen, um einen [1][grundlegenden Wandel der Polizei und ihres Umgangs vor allem mit AfroamerikanerInnen] zu fordern.

Sie vereinte die Trauer um den vor knapp zwei Wochen in Polizeigewalt verstorbenen George Floyd. Der 46-jährige Afroamerikaner war in Minneapolis von Beamten nach der Festnahme erstickt worden. Sie waren dabei gefilmt worden, was diese Tat von den vielen anderen Fällen rassistischer Polizeigewalt unterschied.

Die brutalen Videobilder sorgten seither täglich für Proteste in den gesamten USA, [2][die immer größer wurden] und sich auf immer mehr Städte ausweiteten. Am Samstag waren es nicht nur mehr als 10.000 DemonstrantInnen in Washington, DC, sondern auch in New York, Los Angeles, San Francisco, Chicago, Philadelphia und Dutzenden weiterer Städte. Viele forderten von ihren gewählten VertreterInnen dabei, die Polizei nicht nur zu reformieren, sondern ihr das Geld abzudrehen.

Nach Washington waren sie aus dem gesamten Land angereist, und ihnen blieb diesmal die Konfrontation mit martialischen Ordnungskräften erspart, die an manchen Tagen zuvor die US-Bundeshauptstadt wie einen von Truppen besetzten Ort erscheinen ließen. Nur weiträumig gezogenen Zäune hielten die Demonstranten diesmal vom Weißen Haus fern.

Trauergottesdienste vor Floyds Beisetzung

Wie jetzt bekannt wurde, beabsichtigte Trump auf dem Höhepunkt der Proteste, bis zu 10.000 Soldaten der Streitkräfte in die Stadt zu holen, um die Demonstrationen zu ersticken. Er selbst hatte am Montag einen brutalen Polizeieinsatz mit Tränengas auf dem Lafayette Square neben dem Weißen Haus angeordnet, um Platz zu haben für eine Machtdemonstration, bei der er dort vor einer Kirche wortlos eine Bibel hochhielt.

Sein Verhalten und seine verbalen Drohungen haben wohl die Vehemenz der Proteste noch verstärkt, genau so wie die Angst vieler um ihr wirtschaftliches Überleben nach der Corona-Pandemie.

Bei einem Trauergottesdienst im US-Bundesstaat North Carolina nahmen am Samstag hunderte Menschen Abschied von George Floyd. In dem rund 5.000 Einwohner zählenden Ort Raeford war der Leichnam des 46-Jährigen in einem goldfarbenen Sarg aufgebahrt. George Floyd sei nicht umsonst gestorben, sagte der Baptistenpastor Christoppher Stackhouse. Floyds Tod sei der Funken einer neuen Bewegung.

Am Dienstag ist eine weitere Trauerfeier für Floyd in der „The Fountain of Praise“-Megakirche in Houston in Texas geplant. Bislang unbestätigten Berichten zufolge will Ex-Vizepräsident und Präsidentschaftskandidat Joe Biden daran teilnehmen. Floyd soll in Houston beigesetzt werden. Der ehemalige Profiboxer Floyd Mayweather übernimmt Medienberichten zufolge die Kosten der Bestattung.

Demos auch in Großbritannien und Frankreich

Antirassistische Solidaritätskundgebungen mit Floyd fanden in anderen Ländern statt. In London kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Beamten in den Straßen nahe der Downing Street, dem Regierungssitz von Premierminister Boris Johnson. Die Zusammenstöße flammten zum Ende weitgehend friedlicher Proteste auf.

Auch in mehreren Städten Frankreichs gingen Tausende Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße. In Paris widersetzten sich die Menschen am Samstag Demonstrationsverboten. Die DemonstrantInnen versammelten sich in der Hauptstadt, in Lyon, Lille und Rennes, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Die Pariser Polizei hatte wegen der Covid-19-Pandemie etliche Proteste in der Hauptstadt verboten.

Mit ap/dpa/epd

7 Jun 2020

LINKS

[1] /Polizeigewalt-in-den-USA/!5688545
[2] /Proteste-gegen-Rassismus-in-den-USA/!5686160

AUTOREN

Stefan Schaaf

TAGS

Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
George Floyd
Lesestück Recherche und Reportage
Gelbwesten
Schwerpunkt Rassismus
American Football
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
George Floyd
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus

ARTIKEL ZUM THEMA

Geschichte des Rassismus: Das Machtsystem

Rassismus ist auch ein System zur Rechtfertigung ökonomischer Unterdrückung. Seine Ideengeschichte reicht bis in die Antike und wirkt bis heute fort.

Ermittlungen gegen Polizisten in Paris: Er sagte sieben Mal „Ich ersticke“

Im Januar starb der Lieferfahrer Cédric Chouviat bei einer Polizeikontrolle. Gegen die vier beteiligten Beamten läuft ein Untersuchungsverfahren.

Proteste gegen Polizeigewalt in Paris: The Revolution has come

Die französische Sängerin Camélia Jordana spricht im Fernsehen über Polizeigewalt – und trifft einen Nerv.

Football-Quarterback Drew Brees: Spießiger Superstar

Eine Äußerung des Footballprofis Drew Brees ist Sinnbild für die Ignoranz privilegierter Weißer beim Thema Rassismus. Nun zeigt er Einsicht.

Aktivist über Proteste gegen Rassismus: „Es hat einen Funken gegeben“

Tausende protestieren gegen Polizeigewalt und Rassismus. Biplab Basu von der Beratungsstelle ReachOut ist zuversichtlich, dass daraus eine neue Bewegung entsteht.

Polizei und Bürger:innen in den USA: Vor dem Sommer der Unruhen

Wie könnte das Vertrauen in die US-Polizei wiederhergestellt werden? In Cincinnati haben Bürger:innen einen Forderungskatalog aufgestellt.

++ Nach dem Mord an George Floyd ++: Würgegriff verboten

In den USA werden Polizeireformen beschlossen. Ein Reddit-Verwaltungsrat fordert eine Schwarze Nachfolgerin. Justin Trudeau kniet im Protest gegen Rassismus nieder.

Nach hartem Einsatz gegen Demonstranten: US-Bürgerrechtler verklagen Trump

Bei einer Räumung vor dem Weißen Haus wurden Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt. Die Grundrechte der Protestler seien verletzt worden.