taz.de -- Gewalt gegen Kinder in Corona-Zeiten: Eine globale Herausforderung
In der Pandemie steigt die Gewalt gegen Kinder. Die neuen Zahlen des Hilfswerks World Vision sind erschreckend.
Bedingt durch die Coronakrise könnten in den kommenden Monaten 85 Millionen Kinder von körperlicher, [1][sexualisierter oder seelischer Gewalt] betroffen sein, zusätzlich zu den Kindern, die schon vorher darunter litten. Dazu gehören auch 4 Millionen Mädchen, die als [2][„Kinderbräute“ zwangsverheiratet] werden. Das sind enorme Zahlen. In den mit Abstand häufigsten Fällen von körperlicher Gewalt ist heftiger Überlebensstress in den Familien einer der Gründe für die wachsende Aggression.
Kinder, die schon vor der Krise Gewalt erlebt haben, sind durch die Isolation zusätzlich bedroht, denn sie können den Tätern und Täterinnen im eigenen Familienkreis kaum entkommen. Die Coronakrise und der damit verbundene Zusammenbruch der Wirschaft gefährden in vielen Ländern die Grundversorgung. Hunger und unzureichende medizinische Versorgung verschärfen sich. Kinder sind die Schwächsten in dieser Kette des Mangels.
In vielen Ländern, in denen wir aktiv sind, ist Kinderschutz bestenfalls Nebensache. Es fehlen Strukturen, Institutionen, MitarbeiterInnen, oder diese sind chronisch unterfinanziert. Das ist kein neues Phänomen. Im Unterschied zu früheren Krisen geht es beider aktuellen Situation aber um eine globale Herausforderung. Die Folgen für Kinder sind mit nationalen Egoismen und Knausrigkeit nicht erfolgreich zu bekämpfen. Wichtig ist zunächst der Aufbau funktionierender Strukturen des Kinderschutzes.
Anlaufstellen, Telefonhotlines, pädagogisch geschultes Personal, MedizinerInnen und auch soziale Hilfen. Das kann nur ein globaler Rettungsschirm leisten, finanziert von den Ländern, die über entsprechende Mittel verfügen. So ist es richtig, dass das [3][Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit] (BMZ) ein Sofortprogramm zur Unterstützung armer Länder während der Coronapandemie finanziert. Spezifische Maßnahmen für Kinder lässt es aber schmerzlich vermissen. Hier muss das BMZ dringend nacharbeiten.
28 May 2020
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