taz.de -- Corona-Vorsorge im Zug und Flugzeug: Feldversuch mit ungewissem Ausgang

In Bahn und Flugzeug ist der Schutz vor einer Infektion eher dürftig. Reisende werden so zu Versuchskaninchen.
Bild: Mundschutz ja, Abstand im Zug eher nicht – die Deutsche Bahn ist nicht konsequent

Die Reise- und Verkehrsbranche sitzt in den Startlöchern, um den Betrieb wieder aufzunehmen. Vor der Abreise sowie in Hotels und Ferienanlagen werden strikte Abstandsregeln zum Schutz vor einer Coronainfektion gelten, wenn das Tourismusgeschäft [1][ab Juni wieder anläuft] – auf der Reise zum Urlaubsort in Bahn, Fernbus oder Flugzeug aber nicht. Das ist die Quintessenz der Regeln, die sich Anbieter und Verkehrsunternehmen im Einvernehmen mit dem Bundesverkehrsministerium gegeben haben.

Reisende müssen sich darauf verlassen, dass die obligatorische Atemmaske und die Klimaanlagen für ausreichend Schutz sorgen. Möglicherweise ist das auch der Fall. Die Reiseanbieter sind fest davon überzeugt. Aber ob das wirklich so ist, muss sich erst zeigen. Ein Feldversuch mit ungewissem Ausgang. Das ist beklemmend.

Und es bedeutet: Bahn, Fernbusanbieter und Flugbranche wälzen die Verantwortung auf die Passagiere ab. Reisende müssen entscheiden, ob sie das Risiko auf sich nehmen und sich und andere gefährden wollen.

Die Anbieter machen es sich zu einfach, auch wenn sie in der Tat Erhebliches zum Schutz ihrer KundInnen und Beschäftigten unternehmen, etwa oft und viel desinfizieren oder beim Boarding dafür sorgen, dass kein Gedränge entsteht. Bei allem Verständnis für [2][Unternehmen, die in extremen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind]: In der gegenwärtigen Lage muss man auch auf Umsatz verzichten.

Plätze sollten frei bleiben

Der in den vergangenen Wochen oft gehörte Satz, Gesundheit sei wichtiger als Profit, sollte mehr als ein Kalenderspruch sein. Für die Verkehrsbranche bedeutet das konkret, in Fernbussen, Bahn und Fliegern nicht alle Kapazitäten voll auszuschöpfen, sondern zunächst Plätze frei zu lassen. Und damit erst dann aufzuhören, wenn der Praxistest zeigt, dass die Klimaanlagen in den Flugzeugen tatsächlich den Virenschutz gewährleisten, den die Luftfahrtbranche verspricht.

Die Deutsche Bahn stellt nicht einmal ihr Reservierungssystem um, damit Unbekannte nicht Plätze direkt nebeneinander zugewiesen bekommen. Das ist wirklich schwach.

26 May 2020

LINKS

[1] /Pro-und-contra-Urlaub-im-Ausland/!5686941
[2] /Berliner-Wirtschaft-in-der-Coronakrise/!5681688

AUTOREN

Anja Krüger

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Deutsche Bahn
Flugverkehr
Deutsche Bahn
Schwerpunkt Coronavirus
Wandern
Schwerpunkt Coronavirus
Tourismus

ARTIKEL ZUM THEMA

Deutsche Bahn und Kulanz: Fahrkarte zurückgeben? Keine Chance

30 Verkehrsexperten mussten wegen der Pandemie ihre Exkursion absagen – und könnten nun knapp 5.000 Euro wegen verfallener Tickets verlieren.

Bahnfahren in Corona-Zeiten: Selbsthilfe gefragt

Trotz Abstandsgebot setzt die Bahn fremde Menschen nebeneinander – selbst in leeren Zügen. Mit einem Trick lässt sich dieses Risiko aber verringern.

Unterwegs mit menschlichem Maß: Frühling der Langsamkeit

Der technische Fortschritt hat ein wichtiges Moment des Reisens zum Verschwinden gebracht: die mit allen Sinnen gespürte Fortbewegung.

Luftfahrt nach Corona: Fliegen steht in den Sternen

Die internationale Luftfahrt liegt am Boden. Doch bald wird wieder abgehoben. Wie ändert sich Fliegen? Ein Blick auf die aktuelle Lage weltweit.

Tourismus in Corona-Zeiten: Distanz am Strand

Wie kann der Sommerurlaub in Europa während der Pandemie aussehen? Ein Blick auf Griechenland, Italien, Kroatien und Spanien.