taz.de -- Medien und die Ibiza-Affäre: Das Bild des Politclowns bleibt

Schrille Figuren beleben das Geschäft. Deswegen sind die kleinformatigen Krawallblätter HC Strache so zugetan.
Bild: Will mit seinem „Team Strache“ zurück in die Politik: Der frühere FPÖ-Chef Heinz-Chistian Strache

Den 17. Mai haben sich viele in Österreich als Feiertag im Kalender angestrichen. [1][Vor einem Jahr ging das „Ibiza-Video“ online], das den Sturz von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und in weiterer Folge die Auflösung der türkis-blauen Rechtsregierung nach sich zog. Strache war moralisch tot. Als wenig später noch aufflog, wie er auf Spesen und Steuerzahlerkosten ein Luxusleben geführt hatte, liefen ihm auch seine Hardcore-Fans davon. Im Oktober erklärte er seinen „[2][kompletten Rückzug aus der Politik]“.

Jeder andere wäre aus Scham für den Rest seines Lebens im Boden versunken. Nicht so HC Strache. Seine selbst verordnete Politabstinenz dauerte wenig mehr als ein halbes Jahr. Seit dem 15. Mai führt er mit dem [3][„Team HC“ eine neue „Bürgerbewegung“] an, die zunächst im Oktober ins Wiener Rathaus einziehen und dann in ganz Österreich der FPÖ Stimmen wegnehmen will.

Mit tatkräftiger Unterstützung des Boulevards könnte das sogar gelingen. „Ich habe immer alle politischen Mitbewerber gegen mich gehabt, aber viele Bürger auf meiner Seite. Genau für die mache ich das“, durfte Strache sich in der Gratiszeitung Österreich am Sonntag als verfolgte Unschuld präsentieren.

Und selbst die Kronen Zeitung, die er in Ibiza an die falsche Oligarchennichte verkaufen wollte, räumt ihm und Ehefrau Philippa in ihrer bunten Sonntagsbeilage ein vierseitiges Interview und das Titelblatt ein – viel Platz zur mitleidstriefenden Selbstdarstellung.

Schrille Figuren beleben das Geschäft. Deswegen zeigen de kleinformatigen Krawallblätter eine seltsame Zuneigung zu einem Mann, der sich eine gegängelte Medienlandschaft „wie beim Orbán“ in Ungarn wünscht und der zuvorderst an die eigene Börse denkt. Doch das Ibiza-Video wird er nicht mehr los.

Immerhin wird er nicht als gefährlicher Ideologe in Erinnerung bleiben, der sich einst mit Neonazis bei Wehrsportübungen in den Wäldern vergnügte, sondern als heruntergekommener Politclown, der bei Red-Bull-Wodka auf einer Partyinsel die halbe Republik verschachern wollte.

17 May 2020

LINKS

[1] /Ein-Jahr-nach-der-Ibiza-Affaere/!5686050
[2] /Querelen-in-der-FPOe/!5650129
[3] /Rechte-in-Oesterreich/!5685977

AUTOREN

Ralf Leonhard

TAGS

Heinz-Christian Strache
Ibiza-Affäre
FPÖ
Österreich
Österreich
Ibiza-Affäre
Österreich
Heinz-Christian Strache

ARTIKEL ZUM THEMA

Islamfeindlichkeit in Österreich: Der Europarat zeigt sich besorgt

Der Antidiskriminierungsausschuss kritisiert spaltende politische Reden im Land. Aber auch Gesetze und das Handeln der Polizei werden gerügt.

Ein Jahr nach der Ibiza-Affäre: Die Suche nach dem Privatdetektiv

Vor einem Jahr platzte die Regierung in Österreich. Zur Ibiza-Affäre wird bis heute ermittelt – vor allem gegen einen mutmaßlichen Videomacher.

Rechte in Österreich: Mr. Ibiza bläst zum Angriff

2019 trat der Skandalpolitiker wegen eines Videos zurück. Nun gründet er eine neue Partei – und will die rot-grüne Regierung in Wien stürzen.

Querelen in der FPÖ: Strache ist raus

Der Wiener Parteivorstand verfügt den Ausschluss. Der Ex-Chef der FPÖ könnte mit einer neu gegründeten Partei weitermachen.