taz.de -- Die Wahrheit: Happy Justizia

Gerade in Coronazeiten ist es wichtig, am juristischen Ball zu bleiben, wenn man sich gegen einen zu Scharmützeln aufgelegten Vermieter wehren muss.
Bild: Typisches Treppenhaus in Cottbus führt zu Sinnesverwirrung der Ortsinsassen

Dass die Welt still steht, heißt nicht, dass sich die langwierigen Scharmützel mit den neuen Eigentümern unseres Berliner Mietshauses in Wohlgefallen aufgelöst hätten. Seit Februar dieses Jahres empfängt jeden, der den Hausflur betritt, das böse blinkende Auge einer Überwachungskamera. Das ist illegal, wenn sich nicht alle Mieter damit einverstanden erklären. Keine einzige Partei hat das getan, allerdings wurde auch gar nicht erst danach gefragt.

Nun hat mich der Kampf ums Überleben in einem seit einiger Zeit der freien Wohnungswirtschaft überlassenen Milieuschutzgebiet im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg erheblich radikalisiert. Nachdem Protestmails an die Hausverwaltung und die Anwälte der Hausbesitzer wie gewohnt unbeantwortet blieben, marschierte ich eines Morgens entschlossen ins Amtsgericht Berlin-Mitte.

Dort galt es, einen Parcours zum Thema „Wie funktioniert ein Rechtsstaat?“ zu durchlaufen, den nur seelisch und körperlich widerstandsfähige Bürger bewältigen können. Nach einer ausführlichen Personenkontrolle durfte ich bei einem ersten Beamten vorsprechen, dessen Aufgabe es ist, die ganz Verrückten auszusortieren. Er fragte nach meinem Begehr, ich machte offenbar einen passablen Eindruck, und schon nach einer für Berliner Verhältnisse erstaunlich kurzen Wartezeit wurde ich in das Zimmer einer Justizsekretärin befohlen.

Die offensichtlich in Ehren ergraute Dame tippte, vermutlich schwer sediert, mein Anliegen in Zeitlupe in den Computer. Fasziniert starrte ich auf ihr T-Shirt. „Say hello“, stand da. Vielleicht, um davon abzulenken, dass sie soziale Rituale kaum zu beherrschen schien? Als sie sich endlich erhob, um zum Drucker zu schlurfen, konnte ich einen Blick auf den unteren Teil des Gewands werfen: „… to happiness“.

Ich nahm mir diese Botschaft mit aller Kraft zu Herzen, lagen doch noch genau drei weitere Amtszimmer vor mir, bis meine am Ende tatsächlich erwirkte einstweilige Verfügung gegen unsere Überwachungskamera auf den Weg gebracht war. Denn wenn auch der diensthabende Richter auf meiner Seite war, muss niemand glauben, dass das entsprechende Schreiben einfach so per Dienstmail an die Gerichtsvollzieherin übermittelt wird. O nein!Der Geschäftssitz der Gegenseite befindet sich nämlich am Kurfürstendamm, und das bedeutet eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg. Also setzte ich mich in die S-Bahn, um in einem weiteren Justizgebäude eine neuerliche Leibesvisitation über mich ergehen zu lassen und dort höchstselbst die Depesche zu übergeben. Natürlich musste ich das Tätigwerden der Gerichtsvollzieherin persönlich bezahlen, aber das war es mir wert.

Statt die Kamera abzubauen, ließ der Eigentümer mir allerdings von einer offenbar weltweit operierenden Kanzlei mit einhundertzwanzig Namen im Impressum antworten, die meine einstweilige Verfügung zurückwies und eine mündliche Verhandlung auf meine Kosten verlangte. Aber ich sage immer: „Say hello to happiness.“

12 May 2020

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Ulrike Stöhring

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