taz.de -- Tocotronic zur Corona-Krise: Verlässlich antiautoritär
„Hoffnung“ – die Band Tocotronic veröffentlicht zu Ostern einen neuen Song. Über Vereinzelung, Seltsamkeiten – aber auch gegen falsche Imperative.
Schon komisch: Selbst in einer Zeit maximaler Ungewissheit regieren die Imperative. Hier tönt es, man möge Politikern und führenden Virologen in Sachen Corona gehorsamer folgen – dort, man solle auch in einer Krise nicht jedes Dekret schlucken. Die Band Tocotronic, verlässlich antiautoritär gesinnt, scheint die Songs für solche schrägen Zeiten bereits seit Jahren zu schreiben.
„Die neue Seltsamkeit“ von 1999 klingt jetzt geradezu prophetisch, auch der furiose Song „Sag alles ab“ ist schon 13 Jahre alt. Tocotronic kennen sich also aus mit Isolation, umkreisen beständig die Frage, wie sich Dissidenz und Sehnsucht nach Gemeinschaft vereinen lassen.
Zu Ostern haben sie nun den Song der Stunde veröffentlicht. [1][„Hoffnung“] ist ein schlichtes, schönes Stück, in dem sich Streicher über ein stetig wiederholtes Gitarrenlick erheben. Die Stimme von Sänger und Texter Dirk von Lowtzow klingt feierlich, aber dennoch tritt hier niemand auf die Kanzel.
Neuer Zusammenhang
„Hoffnung“ ist ein Antidot zu all den Durchhalteparolen, die gerade um die Welt gehen. Der Song verspricht und verlangt nichts, er eröffnet einen Möglichkeitsraum: „In jedem Ton / Liegt eine Hoffnung / Auf einen neuen Zusammenhang“, heißt es. Ein neuer Zusammenhang anstelle der Behauptung, bald werde wieder alles wie immer sein.
Und auch anstelle des frommen Wunsches, die Krise möge die Welt als eine bessere zurücklassen. „Ich hab den Boden schwarz gestrichen / Wie komm ich aus der Ecke raus?“, fragt von Lowtzow. Die Antwort: durch Selbsttranszendenz, die nur ein Gegenüber erlaubt. Kein Appeasement, kein Aktionismus, keine Imperative. Nur Trost durch Empathie.
„Wenn ich dich nicht bei mir wüsste / Dann hätte ich umsonst gelebt.“ So endet „Hoffnung“. Und so beginnt Hoffnung.
10 Apr 2020
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