taz.de -- Häusliche Gewalt in der Corona-Quarantäne: Erhöhtes Risiko für Frauen und Kinder

Während der Ausgangssperren sind Frauen und Kinder besonders von häuslicher Gewalt bedroht. Notrufstellen können sie in dieser Lage oft nicht anrufen.
Bild: Missbrauch findet oft in den eigenen vier Wänden statt

Straßburg dpa/epd | Europarats-Generalsekretärin Marija Pejcinovic Buric hat eindringlich vor einem Anstieg häuslicher Gewalt während der Ausgangsbeschränkungen aufgrund des Coronavirus gewarnt. Berichte aus den Mitgliedsländern der vergangenen Wochen hätten bereits gezeigt, dass Kinder und Frauen nun in den eigenen vier Wänden einem höheren Missbrauchsrisiko ausgesetzt seien, sagte Pejcinovic Buric. Neben dem erhöhten Gewaltrisiko könnten die Auswirkungen der Coronavirus-Krise Frauen auch wirtschaftlich hart treffen und deren finanzielle Unabhängigkeit bedrohen.

Berichte aus Frankreich zeigten, dass viele Frauen wegen der Beschränkungen keine Notrufstellen anrufen könnten, sagte die Generalsekretärin. Bei den Hilfe-Telefonnummern gingen etwa viermal weniger Anrufe ein als normalerweise. Stattdessen haben Sofortnachrichten im Internet an entsprechende Hilfsorganisationen in ganz Europa zugenommen. Das könne bedeuten, dass Täter ihre Opfer davon abhalten, telefonisch Hilfe zu suchen, so Pejcinovic Buric. In Dänemark habe man beobachtet, dass die Zahl der Frauen gestiegen sei, die Zuflucht in einem Frauenhaus suchten, sagte die Generalsekretärin.

Auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, befürchtet wegen der Corona-Krise eine Zunahme häuslicher und sexueller Gewalt, insbesondere gegen Kinder. Der aktuelle Druck gefährde das Kindeswohl erheblich durch die eigenen Familienmitglieder, sagte Rörig dem RBB-Inforadio. Das betreffe die Gewalt zu Hause aber auch Kinder, die ohnehin sexueller Gewalt in der Familie ausgesetzt seien. „Deren Lage verschärft sich erheblich, weil Schule und Freizeit als Fluchtmöglichkeit fehlen“, warnte der Missbrauchsbeauftragte.

Bei Verdacht direkt professionellen Rat suchen

Die Täter und Täterinnen können “jetzt noch unbemerkter vom sozialen Umfeld ihre perfide Gewalt ausüben, sagte Rörig. Daher sei es jetzt besonders tragisch, dass die Jugendämter nur auf Sparflamme oder im Notbetrieb arbeiten könnten.

„Die soziale Kontrolle ist derzeit nicht da“, befürchtet auch Saskia Etzolde, Vizechefin der Berliner Gewaltschutzambulanz. „Der Bereich, in dem sonst häusliche Gewalt gegen Kinder auffällt, also in Schulen, Kitas oder bei Tagesmüttern, ist ja gerade weggefallen“.

Wer einen Verdacht auf Gewalt oder sexuellen Missbrauch in der Familie habe, solle Nachbarn nicht direkt ansprechen, sondern sich direkt professionellen Rat suchen, rät der Bundesmissbrauchsbeauftragte Rörig. Das seien Jugendämter, die Polizei oder viele andere Beratungsangebote. Auf der Website des Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs seien hilfreiche Tipps und Telefonnummern zusammengestellt.

28 Mar 2020

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