taz.de -- Fußball-Ligabetrieb in Europa: Ohne Kick

Belgien hat die Fußball-Saison abgebrochen. Die Niederlande könnten folgen. Den Verbänden droht ein Ausschluss aus den europäischen Wettbewerben.
Bild: Gute, alte Champions-League-Zeiten: Ajax-Boss Marc Overmars mit Klaas-Jan Huntelaar

Man stelle sich vor, Hasan Salihamidžić ließe sich in diesen Tagen wie folgt zitieren: „Die Liga ist tot. Das Leben ist raus, der Spaß ist weg: nennt es, wie ihr wollt!“ Dieses drastische Statement stünde dabei freilich nicht für sich selbst, sondern wäre als Plädoyer gedacht, für einen sofortigen coronabedingten Abbruch der Bundesliga-Saison. „Kanzlerin Merkel sagte nicht umsonst, dass dies die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg ist.“

Genau dies geschah letzte Woche in den Niederlanden. Das Zitat stammt von Marc Overmars, dem Direktor von [1][Ajax Amsterdam]. Sein Club steht nach 25 von 34 Spielen punktgleich vor AZ aus Alkmaar an der Spitze der Ehrendivision. Bei der Einschätzung der Lage sind sich Merkel und der niederländische Premier Mark Rutte übrigens einig. Der Chef des Rekordmeisters bekam dann einen Tag später prominente Unterstützung – ausgerechnet von Hauptkonkurrent Alkmaar und dem Viertplazierten PSV Eindhoven.

„Wir finden die heutige Corona-Situation dermaßen besorgniserregend, dass ein Austragen der verbleibenden Spiele ohne Publikum für uns untergeordnete Bedeutung hat“, so AZ-Direktor Robert Eenhoorn. Für Alkmaar ging es in der Mitte März ausgesetzten Saison immerhin um den dritten Titel der Clubgeschichte. „In keinster Weise verantwortlich“ findet auch Toon Gerbrandts, der Direktor von PSV Eindhoven, eine Fortsetzung der Saison. „Wir denken, dass ein Weiterspielen im Sommer nicht machbar ist. Was tun wir mit auslaufenden Verträgen von Spielern?“

In einer Videokonferenz mit allen Profi-Klubs will der niederländische Verband am Dienstag seinen Beschluss mitteilen. Der KNVB hofft, die Saison bis Anfang August zu Ende spielen zu können – sofern das nationale Gesundheits-Institut dafür grünes Licht gibt. In der Einladung an die Klubs heißt es, die Gesundheit aller Beteiligten stehe an erster Stelle.

Derweil wird über den Standpunkt von Ajax, AZ und PSV gestritten. So will Feyenoord Rotterdam, als Drittplazierter noch mit geringen Titelchancen, wegen des „großen finanziellen Impacts für die Kubs“ die weiteren Entwicklungen abwarten. Auch Stadtkonkurrent Sparta Rotterdam will weiterspielen. Der frühere Bondscoach Louis van Gaal fragt im Algemeen Dagblad: „Wer will nicht zu Ende spielen? Klubs, die, mit Ausnahme von Feyenoord, nun auf einem europäischen Platz stehen, und solche in der Abstiegszone.“

Ausgerechnet die Teilnahme an europäischen Wettbewerben könnte nun zum entscheidenden Faktor werden, denn in Belgien ist man bereits einen Schritt weiter als in den Niederlanden. In der vergangenen Woche erklärte der dortige Verband KBVB das vorzeitige Ende der Saison und Club Brugge, einen Spieltag vor Ende der regulären Runde mit sattem Vorsprung auf Platz eins stehend, zum Meister. Die Play-Offs entfallen damit, das Pokalendspiel sowie das Finale um den Aufstieg aus der Zweiten Liga stehen noch zur Diskussion.

Aus Sorge vor einem Domino- Effekt drohte Uefa-Präsident Aleksander Čeferin in einem ZDF-Interview: „Die Belgier und andere, die darüber nachdenken, riskieren ihre Teilnahme im Europapokal in der nächsten Saison.“ Čeferin besteht auf einer einheitlichen Lösung. Zugleich räumt Čeferin ein: „Jeder Weg ist der richtige, wenn die Gesundheit der Spieler im Vordergrund steht.“

Auch aus der [2][Bundesliga] gibt es eine Meldung zum Thema. Hoffenheim-Coach Alfred Schreuder, ehemaliger Assistent bei Ajax Amsterdam, sagte einem niederländischen Radiosender, in der Ehrendivision stecke weniger Geld als in der Bundesliga. „In Deutschland hängt doch mehr daran.“ Weil der Sport in den Niederlanden durch die Corona-Maßnahmen ohnehin bis 1. Juni stillliege, könne er Overmars verstehen. „Dann bleibt sehr wenig Zeit bis zur neuen Saison.“

5 Apr 2020

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Tobias Müller

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