taz.de -- Atomkraftwerke in der Coronakrise: Störrische Betreiber

Wenn Reaktoren in Revision gehen, tummeln sich bis zu 2.000 Menschen in den Anlagen, trotz Virus. „ausgestrahlt“ fordert ihre Abschaltung.
Bild: Besser abschalten? Arbeiter in Schutzkleidung vor dem AKW Isar. Gestelltes Foto

Göttingen taz | Die deutschen Atomkraftwerksbetreiber wollen ungeachtet der Coronakrise an den jährlichen Revisionen festhalten. Die Kraftwerke gehen dann planmäßig für mehrere Wochen vom Netz. Ein Teil der Brennstäbe werden ersetzt, es gibt Prüfungen an Sicherheitssystemen sowie Inspektionen an Behältern, Armaturen und elektrischen Schaltanlagen. Zusätzlich zum Stammpersonal kommen bis zu 1.000 Beschäftigte von Fremdfirmen in die Anlagen, insgesamt 2.000 Menschen.

RWE betreibt die AKWs Emsland in Niedersachsen und Gundremmingen C in Bayern. In Gundremmingen soll die Revision Mitte Juni beginnen, im Kraftwerk Emsland bereits am 8. Mai.

Alle Mitarbeiter von Partnerfirmen müssen vorher eine Selbstauskunft zu ihrem Gesundheitszustand abgeben und werden zu den Hygienemaßnahmen belehrt, sagt RWE-Sprecher Jan Peter Cirkel. „Stark frequentierte Anlaufstellen wie das Revisions-Büro werden nacheinander und nicht zeitgleich betreten“, ergänzt er. In der Kantine bekommt jeder nur zu zugewiesenen Zeiten Essen, die Sitzabstände an den Tischen werden vergrößert.

Während RWE nicht ausschließen will, dass die Revisionen verschoben werden, ist das für PreussenElektra bislang keine Option. „Sicherlich ist es so, dass uns die Vorbereitung der Revisionen in diesen Zeiten einiges an Planung und Vorsorge abverlangt“, sagt Sprecherin Almut Zyweck. Eine Verschiebung der Revisionen stehe aber „derzeit nicht in Rede“.

„ausgestrahlt“: AKWs sind nicht systemrelevant

PreussenElektra betreibt die Atomkraftwerke Brokdorf in Schleswig-Holstein, [1][Grohnde in Niedersachsen] und Isar 2 in Bayern. Grohnde soll bereits im April in die Revision. Das niedersächsische Umweltministerium hat Zweifel, ob der Termin zu halten ist. „Wir beschäftigen uns intensiv mit der anstehenden Revision in Grohnde“, so Ministeriumssprecher Matthias Eichler. Man analysiere, ob und wenn ja mit welchen zusätzlichen Schutzvorkehrungen die Revision stattfinden könne.

[2][Die Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“] erklärte, AKW seien nicht systemrelevant für die Stromversorgung. Schon in normalen Zeiten gehe es ohne sie. Wenn nun der Stromverbrauch aufgrund der Coronakrise deutlich sinke, seien sie gleich doppelt verzichtbar.

„Deshalb muss zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung der Pandemie eine personalintensive Revision unterbleiben“, sagt „ausgestrahlt“-Sprecher Jochen Stay. Die Reaktoren müssten vom Netz genommen und die Belegschaft bis auf das Sicherheitspersonal nach Hause geschickt werden.

29 Mar 2020

LINKS

[1] /Abschaltung-von-AKW/!5613467
[2] https://www.ausgestrahlt.de/

AUTOREN

Reimar Paul

TAGS

Anti-Atom-Bewegung
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Atomkraft
RWE
Atomkraftwerk
Anti-Atom-Initiativen
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Atomkraft
Atommüll
Anti-Atom-Bewegung

ARTIKEL ZUM THEMA

Atomkraftwerke und Corona: Kein Stopp für Reaktoren und Abfall

Trotz fehlender Prognosen zum Personalausfall laufen die deutschen AKWs in der Corona-Krise weiter. Und auch Uranmüll soll weiterhin rollen.

Nach dem Beben in Kroatien: Angst wegen AKW Krško

Viele zweifeln an der Unversehrtheit des Atomkraftwerks, das nur 20 Kilometer vom Epizentrum entfernt liegt. Kritik kommt auch aus Österreich.

Abfall für Schacht Konrad: Kritik an neuem Atommüll-Lager

Am früheren AKW-Standort Würgassen soll ein neues bundesweites Zwischenlager entstehen. AtomkraftgegnerInnen lehnen das ab.

Wohin mit dem Atom-Schutt?: Fräsen, Schrubben und Spülen

Beim Abriss eines Atomkraftwerks fällt Bauschutt an. Der darf auf Hausmülldeponien entsorgt werden. Jetzt wehren sich Anwohner des AKW Unterweser.