taz.de -- Berlinale Staralbum – Luca Marinelli: Der Scheue

Luca Marinelli könnte ein internationaler Star aus Italien werden. So virtuos er randständige Figuren spielt, so zurückhaltend gibt er sich privat.
Bild: Und für Schulen auf Haiti setzt er sich auch noch ein: Hach, Luca Marinelli!

„Non solo bello, ma anche brillante!“, hat jemand unter ein YouTube-Video gepostet, in dem Luca Marinelli über seine Arbeit am Hörbuch „Lamento di Portnoy“ berichtet. „Portnoy’s Complaint“, ein 1969 erschienener Roman von Philip Roth, ist ein langer Monolog über Obsessionen und sexuelle Eskapaden. Die Rolle passt zu dem 1984 in Rom geborenen Schauspieler, der dieses Jahr in der Wettbewerbs-Jury über die Vergabe der Bären mitentscheidet. Derzeit gibt es in Italien wohl keinen männlichen Darsteller von ähnlicher Intensität und Strahlkraft, dem sowohl die feinen als auch die halsbrecherischen Wechsel gelingen.

Möglicherweise ist es nur eine Frage der Zeit (und von Marinellis Bereitschaft), bis die ersten großen Anfragen außerhalb Europas eintreffen. Erst im vergangenen Jahr wurde er für seine Verkörperung des Martin Eden in Pietro Marcellos gleichnamigen Film in Venedig mit dem Coppa Volpi ausgezeichnet, [1][der höchsten Anerkennung für eine Interpretation auf der Leinwand].

Pietro Marcello stellt sich damit in eine Reihe bemerkenswerter Regisseure, die das Talent Luca Marinellis erkannt und gefördert haben. Allen voran Claudio Caligari. In dem noch kurz vor dessen Tod beendeten „Non essere cattivo“ (2015) bestreitet Marinelli eine der Hauptrollen als unberechenbarer, psychisch fragiler Cesare im Rom der neunziger Jahre.

Superheld mit versengten Haaren

Es ist jener oftmals exzentrische Tanz an den Rändern, für den sich der ansonsten eher scheue Marinelli zu interessieren scheint. Im Spagetti-Marvel „Lo chiamavano Jeeg Robot“ (2015) mimte er eine Joker-hafte Gestalt namens Fabio Cannizzaro (Spitzname „Zingaro“), die mit versengten Haaren und Superkräften versuchte, ein Fußballstadion in die Luft zu sprengen. Anfang 2018 schlüpfte er in die Haut des italienischen Cantautore Fabrizio De André und interpretierte dessen Lieder auf der Gitarre: gesellschaftskritische Stücke, die Stimmlosen das Wort erteilen.

Eine Haltung, die auch Marinelli selbst nah ist. Gemeinsam mit seiner Partnerin, der deutschen Schauspielerin Allisa Jung, unterstützt er das Projekt „Pen Paper Peace“, das sich für Schulen auf Haiti einsetzt. Non solo brillante, ma anche gentile!

20 Feb 2020

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AUTOREN

Carolin Weidner

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