taz.de -- Facebook und Überwachung: Mal die Systemfrage stellen

Der Österreicher Max Schrems will sein Recht auf Privatsphäre gegen Facebook durchsetzen. Der Europäische Gerichtshof hat sich nun damit befasst.
Bild: Der Österreicher Max Schrems legt sich mit Facebook an

Dass Netflix diese Geschichte noch nicht verfilmt hat, kann eigentlich nur daran liegen, dass der Dienst Angst vor dem Protagonisten hat: ein junger Jurist, der sich seit seinen Studienzeiten mit einem der ganz Großen angelegt hat.

Max Schrems gegen Facebook, es geht um das Recht auf Privatsphäre, also um das Gute; das Verfahren bietet ausreichend Material und unerwartete Volten für etwa drei Staffeln, und kurz vor dem Ende ist noch alles offen. Kurz vor dem Ende, das ist dieser Donnerstag und da hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) [1][sein Votum] in der Sache vorgelegt. 97 Seiten, auf denen er leider eines nicht macht: die Systemfrage stellen.

Denn das herrschende System aus Datensammeln und Überwachen, aus dieser merkwürdigen Nicht-Allianz aus Wirtschaft und Geheimdiensten, in dem die allermeisten Nutzer:innen nicht auch nur im Ansatz eine Idee davon haben, was wer über sie sammelt, weitergibt, speichert, wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage eigentlich – dieses System also ist mit ein paar kleinen Korrekturen leider nicht korrigiert.

Genau das müsste es aber. Wer in den vergangenen Wochen [2][Edward Snowden] gelesen oder in Interviews gehört hat, ahnt, dass sich sechs Jahre nach seinen Enthüllungen zwar einiges geändert, aber nichts substanziell gebessert hat.

Europa hätte jetzt diese Chance. Es hat die [3][Datenschutzgrundverordnung], die, bei allen Fehlern, doch ein Fortschritt ist. Es hat einen Protagonisten, der keine Angst vor jahrelangen Konflikten mit Behörden und einem finanzkräftigen US-Unternehmen hat. Der EuGH könnte sich im kommenden Jahr trauen, ein Urteil zu fällen, das den Transfer persönlicher Daten in die USA unter den aktuellen Bedingungen untersagt.

Die hätten dann die Chance, einmal einen Augenblick innezuhalten: Wollen sie vielleicht doch ein Minimum an Datenschutz gewährleisten? Oder lieber auf das Geschäft verzichten? Es wäre ein Urteil so nah an der Systemfrage, wie es gerade eben möglich ist.

19 Dec 2019

LINKS

[1] http://xn--curia-zhacc.xn--europa-9iacc.xn--eu-6da/ju%C2%ADris/do%C2%ADcu%C2%ADmen%C2%ADt/do%C2%ADcu%C2%ADmen%C2%ADt.js%C2%ADf?%C2%ADtex%C2%ADt=&do%C2%ADci%C2%ADd=221826&%C2%ADpa%C2%ADge%C2%ADIn%C2%ADdex=0&do%C2%ADclan%C2%ADg=en&%C2%ADmo%C2%ADde=l%C2%ADs%C2%ADt&%C2%ADdir=&oc%C2%ADc=%C2%ADfirs%C2%ADt&par%C2%ADt=1&ci%C2%ADd=47575
[2] /Rechtsstreit-um-Snowdens-Memoiren/!5641890
[3] /Ein-Jahr-DSGVO/!5597437

AUTOREN

Svenja Bergt

TAGS

Schwerpunkt Meta
Datenschutzgrundverordnung
Max Schrems
Datenschutz
Datenschutz
Edward Snowden
DSGVO
Datenschutz

ARTIKEL ZUM THEMA

Tätigkeitsbericht vorgestellt: Daten schützen ist zäh

Den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten erreichen immer mehr Beschwerden. Aber oft fehlen ihm die Mittel, um wirklich etwas auszurichten.

Facebook und Datenschutz: Krone der Abschöpfung

Wer im Netz sucht und einkauft, hinterlässt Spuren. Seit letzter Woche kann man sich bei Facebook die Datenspur anzeigen lassen.

Rechtsstreit um Snowdens Memoiren: Leg dich nicht mit der NSA an

Edward Snowden hat mit seinen Memoiren „Permanent Record“ gegen CIA-Verträge verstoßen, urteilte ein US-Gericht. Das ist schäbige Rache.

Ein Jahr DSGVO: Vorbild trotz Mängeln

Am Samstag wird sie ein Jahr alt, die Datenschutz-Grundverordnung. Vor einem Jahr war der Aufschrei groß. Und nun? Eine Bilanz.

Nicht notwendiger Zugriff auf Daten: „Das ist Erpressung“

Facebook und Google verstoßen gegen die neue Datenschutzgrundverordnung, meint Netzaktivist Max Schrems. Er fordert Milliardenstrafen.