taz.de -- Kaum Fortschritte bei der Klimakonferenz: Nebulöse Bilanzen

Bei der Klimakonferenz in Madrid geht es kaum voran. Deutschland lobt sich – unabhängige Experten sind aber ganz anderer Meinung.
Bild: Bislang gibt es bei der Klimakonferenz in Madrid nur wenig Ergebnisse

Madrid taz | Grau und dick hängt der Nebel über dem Messegelände von Madrid, man sieht keine hundert Meter weit. Aber in den Hallen der UN-Klimakonferenz COP 25 sind die Aussichten am Beginn der entscheidenden Woche auch nicht klarer. Wie so häufig um diese Zeit der Konferenz sind die Verhandlungen festgefahren, wenn die Minister mit ihren offiziellen 3-Minuten-Statements die entscheidenden politischen Verhandlungen eröffnen. Gleichzeitig bescheinigen zwei neue Untersuchungen ebendiesen Regierungen, dass sie beim Klimaschutz deutlich zu wenig Ehrgeiz entwickeln.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sah das in ihrem Statement anders. „Wir legen mit dem Klimapaket ein gutes Fundament für den Klimaschutz“, behauptete sie vor den Delegierten. Sie werde sich dafür einsetzen, dass die EU-Ziele erhöht werden. Kurz zuvor hatte Deutschland angekündigt, den Anpassungsfonds der UN mit weiteren 30 Millionen Euro zu füllen. In Berlin soll außerdem ein Sekretariat entstehen, um Projekte zur Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien etwa in Marokko, Brasilien oder Argentinien zu fördern.

Hinter den Kulissen wartet auf die Ministerinnen und Minister nun eine heikle Aufgabe: Die ungelösten Probleme der Vortage möglichst zu einer Einigung zu bringen. Dabei gibt es nun mit zwei Tagen Verspätung endlich einen Verhandlungstext zu den umstrittenen „Kohlenstoffmärkten“, auf denen CO2-Emissionen gehandelt werden sollen.

Leere Hände

Bei technischen Details zu Transparenzregeln dagegen konnten die Delegierten auch bis Dienstag früh keinen Text vorlegen. Für Martin Kaiser von Greenpeace ist der Stillstand eine Folge der Blockade von Seiten der USA und Brasiliens. „Die Gefahr ist groß, dass wir nach der Konferenz mit leeren Händen dastehen.“

Ein zwiespältiges Bild der Klimapolitik zeichnete der aktuelle Klimaschutz-Index der Umweltorganisation Germanwatch. Nach diesem Ranking, das CO2-Emissionen, Energieverbrauch, Erneuerbare und Klimapolitik bewertet, werden die Guten besser und die Schlechten schlechter: Während in 31 von 57 untersuchten Ländern der CO2-Austieg sinkt, gebe es bei drei Staaten, die stark von der Kohle- und Ölindustrie abhängen „kaum Anzeichen für eine ernsthafte Klimapolitik“- in den USA. Saudi Arabien und Australien.

Die ersten drei Plätze der Platzierungen bleiben wie immer frei, weil kein Land wirklich gute Bilanzen hat. Dann folgen Schweden, Dänemark und Marokko. Deutschland hat sich auf von Platz 27 auf 23 verbessert und liegt in der Kategorie „mäßig“, zehn EU-Staaten sind besser. Unter den G20-Staaten, die 80 Prozent der weltweiten Emissionen verursachen, sind demnach nur zwei Länder mit der Note „gut“: Großbritannien und Indien – acht dagegen schneiden „sehr schlecht“ ab.

Auch bei der aktuellen Bewertung des [1][„Climate Action Tracker“] von verschiedenen Forschungsinstituten kommt Deutschland nicht gut weg. Als „höchst unzureichend“ stufen die Experten die deutschen Leistungen trotz Klimapaket und Kohleausstieg ein.

Insgesamt führten die Klimapläne aller Länder zu einer Erwärmung von etwa 3 Grad in 2100, doppelt so viel wie mit 1,5 Grad im [2][Pariser Abkommen] angestrebt. „Wir sehen nicht die Art von Aktion, die man von Regierungen erwarten würde, die sich einer Klimakrise gegenübersehen“, sagte Niklas Höhne vom New Climate Institute, einer der Autoren des „Action Tracker“.

10 Dec 2019

LINKS

[1] https://climateactiontracker.org/
[2] https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/generalassembly/docs/globalcompact/FCCC_CP_2015_10_Add.1.pdf

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Weltklimakonferenz
Madrid
Svenja Schulze
Benzinpreise
CO2-Emissionen
Greta Thunberg
Auto-Branche
Greta Thunberg
Schwerpunkt Klimawandel

ARTIKEL ZUM THEMA

Reaktion auf Klimapaket: Jammern als Industrie-Strategie

Immer mehr Länder verteuern den CO2-Ausstoß, Deutschland liegt im Trend. Der BDI warnt trotzdem davor, dass der Mittelstand unter die Räder kommt.

Knackpunkte der Klimakonferenz: Monster namens Marktmechanismen

An den „Kohlenstoffmärkten“ droht die COP zu scheitern. Sie könnten die grüne Wende bringen. Oder Klimaschutz zur Luftbuchung machen.

UN-Klimakonferenz in Madrid: Druck von draußen

Die UN-Klimakonferenz startet in die heiße Phase. Druck machen alle, die nicht direkt ins Gefeilsche um offizielle Erklärungen verstrickt sind.

DGB-Vorstandsmitglied über Klimawandel: „Dringlichkeit bewusst“

Anlässlich der Klimakonferenz in Madrid fordert DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell eine „klimaneutrale Wende“.

Greta Thunberg beim UN-Klimagipfel: Aktivismus trifft Realpolitik

Greta Thunberg kommt zur UN-Klimakonferenz nach Madrid. Doch sie will, dass andere Personen im Vordergrund stehen.

UN-Klimasekretariat mit knappen Kassen: Welt zu geizig für Klimaschutz

Dem UN-Klimasekretariat fehlen die Mittel, weil über 120 Staaten ihre Beiträge nicht oder zu spät zahlen. Die größten Schuldner: USA und China.